| Silke Haas, Tobias Knödlseder |

Weder für Starkregen noch für Hochwasserschutz bestehen einheitliche Definitionen. Beim Stark-regen unterscheidet man in der Regel zwischen Begriffen wie Bemessungsregen oder seltene und außergewöhnliche Starkregen. Der Bemessungsregen beschreibt starke Regenereignisse, die zugrunde gelegt werden, um kommunale Entwässerungssysteme zu dimensionieren. Seltene und außergewöhnliche Starkregenereignisse haben eine deutlich höhere Intensität und können allein durch die Kanalisation nicht mehr abgeleitet werden. Das bestehende Regelwerk schlägt ein kommunales Risikomanagement und eine Überflutungsvorsorge zur Bewältigung solcher Regenereignisse vor. Der Begriff des Hochwassers beschreibt ursprünglich das Flusshochwasser. Aber auch fernab von Gewässern kann es zu Hochwasser aus Starkregen kommen, wenn mehr Niederschlag fällt, als der Boden aufnehmen kann. Auf ausgetrockneten Böden, aber ebenso in stark verdichteten, städtischen Bereichen kann es dadurch zu Schäden kommen.

Situation in München

Der städtische Eigenbetrieb Münchner Stadtentwässerung (MSE) kümmert sich um das Ableiten und Reinigen des Abwassers für München und für einige angeschlossene Gemeinden. Dabei ist es das Ziel, den Münchner*innen sowie den ortsansässigen Gewerbebetrieben den bestmöglichen Entwässerungskomfort zu bieten. Ein wichtiger Baustein ist dabei der rechnerische Nachweis eines überstaufreien Kanalnetzes auf Basis der allgemein anerkannten Regeln der Technik für bestimmte Niederschlagsereignisse, den bereits genannten Bemessungsregen. Um die hydraulische Leistungsfähigkeit des Kanalnetzes nachzuweisen und um eine eventuelle Netzüberlastung und ihre Folgen (Rück- oder Überstau) abbilden zu können, führt die Münchner Stadtentwässerung regelmäßig hydrodynamische Kanalnetzberechnungen mit Hilfe einer Spezialsoftware durch. Die im Ergebnis abgeleiteten (Bau-)Maßnahmen werden in der Folge sukzessive umgesetzt. Das Münchner Kanalnetz ist so dimensioniert, dass auch teils starke Regenereignisse schadlos abgeleitet, beziehungsweise zwischengespeichert werden können. München verfügt über ein überdurchschnittlich großes Rückhaltevolumen im Untergrund von circa 700.000 m³, verteilt auf mehrere dezentrale Beckenanlagen. Die planerische Grundlage bildet der sogenannte Gesamtentwässerungsplan (GEP). Aktuell erarbeitet die Münchner Stadtentwässerung die Fortschreibung des GEPs auf Basis eines völlig neuen hydrodynamischen Kanalnetzmodells auf dem aktuellen Stand der Technik.

Regenrückhaltebecken unter dem Hirschgarten

Regenrückhaltebecken unter dem Hirschgarten

Kommunales Starkregenrisikomanagement

Es ist weder möglich noch zielführend, das kommunale Entwässerungssystem auf seltene und außergewöhnliche Starkregen auszulegen. Um sie zu bewältigen, müssen auch die Oberflächengestaltung und der individuelle Objektschutz angepasst sein. Überflutungsschutz ist daher gerade in einer stark wachsenden und hochversiegelten Stadt wie München eine kommunale Gemeinschaftsaufgabe. Die Stadtverwaltung unter Federführung des Referates für Klima- und Umweltschutz hat deshalb im Oktober letzten Jahres einen Stadtratsbeschluss zum Themenkomplex „Klimawandelanpassung“ herbeigeführt. Der Beschluss umfasst einen Maßnahmenkatalog, darunter eine Maßnahme, die die Grundlage für ein künftiges stadtweites Starkregenrisikomanagement bildet. Mit einem Aufgriffsbeschluss soll die umfassende Aufgabe des Strukturaufbaus für ein stadtweites Starkregenrisikomanagement vom Stadtrat legitimiert und die Wichtigkeit der Aufgabe dargestellt werden.
Daneben gilt zukünftig vorsorgend im Bereich der Stadtplanung und bei Bauprojekten das sogenannte Schwammstadtprinzip. Dabei wird Regenwasser nicht einfach über die Kanalisation abgeleitet, sondern vor Ort bewirtschaftet. Das hat viele Vorteile: Neben einem besseren Stadtklima und einer verbesserten Aufenthaltsqualität durch mehr grüne Infrastruktur kommt es zu weniger Überflutungen. Es wird eine klimaresiliente Oberfläche geschaffen und der Wasserhaushalt positiv beeinflusst.
Die Münchner Stadtentwässerung bietet für entsprechende Entsiegelungsmaßnahmen auf privaten Grundstücken durch den sogenannten gesplitteten Gebührenmaßstab bereits seit 30 Jahren einen finanziellen Anreiz: Die Niederschlagswassergebühr wird nur anhand der versiegelten, an den Kanal angeschlossenen Fläche bemessen. Auch in der Münchner Entwässerungssatzung ist bereits seit 1997 festgelegt, dass das Einleiten von Niederschlagswasser in die kommunale Entwässerungseinrichtung nur dann zulässig ist, wenn es nicht möglich ist, es ordnungsgemäß zu versickern oder anderweitig zu beseitigen.
Neben dem gesplitteten Gebührenmaßstab bezuschusst auch das städtische Förderprogramm „Grün in der Stadt“ des Referats für Klima- und Umweltschutz Entsiegelungsmaßnahmen auf privaten Flächen.

Autoren:
Silke Haas ist Dipl.-Bauingenieurin, Tobias Knödlseder Wirtschafts- und Umweltingenieur (M. Sc.). Beide arbeiten bei der Münchner Stadtentwässerung im Bereich der Gesamtentwässerungsplanung und beschäftigen sich u. a. mit der Fortschreibung des Gesamtentwässerungsplanes des Münchner Kanalnetzes.

 

Dieser Text stammt aus dem Online-Magazin STANDPUNKTE 07./08./09.2023 zum Themenschwerpunkt “Wasser in der Stadt?”

 

Bildquellen:

  • Kanalbau Landsberger Straße: Münchner Stadtentwässerung
  • Regenrückhaltebecken unter dem Hirschgarten: Münchner Stadtentwässerung
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