| Gerhard Ongyerth |

Der Umgang mit Wasser und Gewässern war und ist für München eine wesentliche Stadtgestaltungs-, Stadtentwicklungs- und Infrastrukturaufgabe. Mit Lösung der Aufgaben sind einzigartige Denkmäler in der Stadtlandschaft entstanden.

Isar – Stadtbäche – Uferbefestigung

Die Isar gilt als Zentralfluss der südbayerischen Donaulande und als zentralherrschaftsbildende Mittelachse des altbayerisch-wittelsbachischen Territoriums vom Karwendel bis zur Flussmündung im Raum der Grafen von Bogen. Die geomorphologische Unterlage der Altstadt, Verlauf und System Isar mit ihren Nebenarmen (Stadtbächen) sowie eine bis heute nachvollziehbare Entwicklung der Gestalt der historischen Stadtlandschaft am Fluss sind Schlüssel zum Verständnis von Topographie und historischem Städtebau Münchens. Die Stadtbäche setzten sich aus verschiedenen Bachsystemen in der weiten Isaraue zusammen, aus den inneren und äußeren Bächen, dem Dreimühlenbach, dem Triftkanal im Lehel und dem Auer Mühlbach. Die Stadtbäche wurden in erheblichem Umfang gewerblich von zahlreichen Mühlen, Brunnenhäusern und anderen wasserständigen Einrichtungen genutzt. Zuletzt hat der U-Bahnbau in den späten 1960er Jahren zum Auflassen der meisten Stadtbäche und der wasserständig betriebenen Mühlen geführt.
Von 1901-1905 erfolgte konzentriert eine Sanierung bzw. stabile Neuerrichtung der Luitpoldbrücke, Max-Joseph-Brücke, Maximiliansbrücke, Corneliusbrücke, Reichenbachbrücke, Wittelsbacherbrücke und Thalkirchner Brücke. Etwas zeitversetzt verstärkte man 1906-1912 die heute denkmalgeschützten Ufermauern zwischen den Brücken und leistete sich den städtebaulichen Luxus darauf liegender Promenaden. Die Brückenköpfe wurden nach Möglichkeit in die festverankerten Isarkaianlagen integriert. Das sorgte für die erforderliche besondere Stabilität der neuen Brücken bei Hochwasser. Die Bebauung konnte nun dicht an den Fluss heranrücken. Es gab innerstädtisch keine Aue mehr. Die Mauern schützen die Brücken und die isarnahen Gebäude.

Steinsdorfstraße, ehemaliger Standort der Unteren Lände.

Steinsdorfstraße, ehemaliger Standort der Unteren Lände / Münchner Hafen mit Wehr zwischen großer und kleiner Isar.

Würmkanal – Nymphenburg-Biedersteiner Kanal – Neuer Schleißheimer Kanal

Durch das Stadtgebiet fließen drei Arme des denkmalgeschützten Flächendenkmals Schleißheimer Kanalsystem. Der älteste Abschnitt des Kanalsystems war ein hart an der nördlichen Stadtgrenze bei Feldmoching gebauter Würmkanal, dem der Verein Dachauer Moos aktuell die Broschüre Der Würmkanal – Barockes Wassermanagement als Baudenkmal gewidmet hat. Zielort des bei Karlsfeld ausgeleiteten Würmkanals war die 1597 von Herzog Wilhelm V. erworbene Schwaige Schleißheim. Bereits 1601/1611 soll der bogenförmig geführte Alte Würmkanal durch das Dachauer Moos gezogen worden sein. Von 1687 bis etwa 1691 entstand an Stelle des Alten Kanals der heute erhaltene 10,5 km lange Würmkanal. Zwischen dem Würmwehr in Karlsfeld und dem Schleißheimer Schlosspark besteht ein Gefälle von rund 13 Metern. Auf der Strecke überwindet das Wasser in einem Graben nach Norden auslaufende Schotterzungen, nimmt Wasser des Kalterbachs auf und knickt nördlich der Feldmochinger Untermühle in eine Schotternaht ab, die das Flussbett der Moosach (Feldmochinger Mühlbach) darstellt.
Nach der Hochzeit mit der Kaisertochter Maria Antonia machte sich Kurfürst Max Emanuel Hoffnung, den deutschen Kaiserthron für seinen Sohn Johann Ferdinand erringen zu können. Entsprechend begann er 1701 die Residenzen in Nymphenburg und Schleißheim auszubauen und über ein Kanalsystem zu verbinden. Von Päßing an der Würm bis zur Isar entstand so der 15 km lange denkmalgeschützte Nymphenburg-Biedersteiner Kanal, der 1703 bei der Georgenschweige vor Milbertshofen am Neuen Schleißheimer Kanal endete. Die Kanalbauer hatten über die Strecke ein Gefälle von 20 Metern zur Verfügung. Eine geradlinige Streckenführung des Kanals war unbedingt einzuhalten und wurde bei Bau wohl durch das Anpeilen von Kirchtürmen im weiteren Streckenverlauf erreicht. Zum Anschluss beider Kanäle kam es 1704 kriegsbedingt nicht mehr. Statt nach Oberschleißheim wurde der Nymphenburger Kanal zum ehemaligen Schloss Biederstein in Schwabing fortgeführt und erreicht nach 3,5 km im Bachbett der Schwarzen Lacke das Auenbachsystem der Isar. Er ist als Nymphenburg-Biedersteiner Kanal in der Stadtlandschaft erhalten geblieben. Seine eindrucksvollsten Abschnitte bestehen um das Schloss Nymphenburg sowie vor der Geländestufe bei der Gaststätte Brunnwart. Von dort strömt das Kanalwasser im Schwabinger Bach dem Dirnismaninger Kanal und schließlich dem Schleißheimer Schlosspark zu. Der Nymphenburg-Biedersteiner Kanal bringt Wasser des Starnberger Sees nach München. Den Verlauf des von der Münchner Residenz her zwar begonnenen, aber 1820 aufgelassenen Neuen Schleißheimer Kanals (= Türkengraben) zeichnen schräge Gebäudegrundrisse in in der Maxvorstadt sowie die geradlinig nach Norden gehenden Kurfürstenstraße und Belgradstraße nach.

Grundwasser – Fernwasser – Schwemmkanalisation

Die Münchner bezogen ihr Trinkwasser zunächst aus Gemein- und Hausbrunnen. Eine Wasserleitung aus Thalkirchen lieferte ab 1471 öffentliches Röhrenwasser zu einem Laufbrunnen beim Fischbrunnen am Marienplatz. Die Stadt und der Hof zu München fassten Quellen in Hellabrunn und Siebenbrunn, in der Au, am Gasteigberg, am Lilienberg, nahe dem heutigen Maximilianeum, im Brunnthal sowie an Stadtbächen und Kanälen zum Gebrauch als Trinkwasser. Manche Fassung entwickelte sich nach 1600 weiter zum Brunnenhaus mit Hebewerk.
Mit den Choleraepidemien im 19. Jahrhundert wurde klar: Das als Trinkwasser geförderte Grundwasser unter der Stadt vermischte sich mit in den Untergrund eindringenden Abwässern und dem Abfall der Bewohner. Vor allem Max von Pettenkofer forderte eine Fernwasserzuleitung, Schwemmkanalisation
und durchgängige Abwasserentsorgung zu den Kläranlagen am Rande der Stadt. Ab 1875 holte der Münchner Magistrat Gutachten zur Verbesserung der Wasserversorgung der Stadt ein. Nach einem Projekt des Dresdner Ingenieurs Bernhard Salbach wurde der Bau einer Wasserleitung aus dem Gebiet des Mangfalltals 1880 beschlossen und 1883 im ersten Ausbau vollendet. Ein 6 Mio. Mark teures System versorgte dann 300.000 Münchner mit einem Tagesbedarf von ca. 150 Liter pro Person mit frischem Quellwasser aus dem Alpenvorland. Die Sammelleitung verläuft im natürlichen Gefälle vom Mangfalltalrand bis zum Hochbehälter in Deisenhofen und von da in Verzweigungen in die Münchner Haushalte. Zusammen mit der Schwemmkanalisation erwarb sich München den Ruf einer der gesündesten Orte überhaupt zu sein. Später wurden weitere Quellen im Mangfalltal, im Loisachtal sowie südlich von München erschlossen und durch Rohrleitungen zur Verteilung in Hochbehälter in Deisenhofen, Kreuzpullach und im Forstenrieder Park gebracht. Gleichwohl bestehen in der Stadt weiterhin tausende private Brunnen vor allem der Großbrauereien.

Wittelsbacherbrunnen

Wittelsbacherbrunnen, Inschrift zur Erinnerung an die Fernwasserleitung aus dem Mangfalltal 1883

Der Wittelsbacherbrunnen am Lenbachplatz zählt zu den schönsten denkmalgeschützten Wasserspielen in der Stadt. Der Brunnen ist ein Werk Adolf von Hildebrands von 1895 und eine Mischung aus Fontäne, Bassin und Kaskade. Zwei Großplastiken aus wetterfestem Marmor ziehen den Blick des Betrachters auf sich: Der steinschleudernde Mann auf einem Seepferd und die eine Wasserschale darbietende Frau auf einem fischgeschwänzten (Wasser-)Stier versinnbildlichen die Kraft und den Segen des Wassers. Der Brunnen erinnert wie die ehemalige Wasserfontäne auf dem Sendlinger-Tor-Platz an die Fertigstellung der Trinkwasserleitung aus dem Mangfalltal nach München im Jahre 1883: Errichtet / von der Stadtgemeinde / Muenchen / zur Erinnerung an die Vollendung / der städt. Wasserversorgung / aus dem Mangfallthale.

Autor:
Gerhard Ongyerth ist promovierter Geograph, Kulturhistoriker, Buchautor, Gründungsmitglied von Stattreisen München e.V., Referent für Städtebauliche Denkmalpflege im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Vorstand der Baugenossenschaft München von 1871 e.G.

 

Dieser Text stammt aus dem Online-Magazin STANDPUNKTE 7./8./9.2023 „Wasser in der Stadt“.

 

Zum Weiterlesen:

Verein Dachauer Moos e. V.: Der Würmkanal – Barockes Wassermanagement als Baudenkmal: https://www.verein-dachauer-moos.de/images/PDF/Folder-Würmkanal_2022-11-15_ONLINE-komprimiert.pdf

 

 

Bildquellen:

  • Isarufermauern von 1912: Bayer. Landesamt für Denkmalpflege
  • Steinsdorfstraße, ehemaliger Standort der Unteren Lände.: Gerhard Ongyerth
  • Wittelsbacherbrunnen: Gerhard Ongyerth
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner