Stellungnahme des Arbeitskreises ‚Attraktiver Nahverkehr‘ (AAN) im Münchner Forum zum Leistungsprogramm (= geplantes Fahrplanangebot) der MVG im Jahr 2024, 01.05.2023:
Der öffentliche Personenverkehr (ÖPNV) in München hat Finanzierungsprobleme: Aufgrund zu geringer Tarifanpassungen ist das Angebot der MVG strukturell unterfinanziert. Hinzu kommen die noch nicht wieder ausgeglichenen Fahrgastverluste aufgrund der Corona-Pandemie. Die niedrigeren Fahrgastzahlen wirken sich entsprechend auf die Fahrgeldeinnahmen der MVG und damit auf die Finanzierung des Leistungsangebots aus. Die einzige nennenswerte Angebotsverbesserung ist der ganztägige 5-Minuten-Takt auf der U5.
Dazu AAN-Sprecher Berthold Maier: „Nach den faktischen Nullrunden beim Ausbau des Fahrplanangebots in den letzten Jahren kommt es Ende 2023 immerhin zu einer kleinen Verbesserung. Für die angestrebte Verkehrswende ist das aber viel zu wenig. Andererseits wendet die Landeshauptstadt München knappe 100 Millionen Euro mehr für Betriebskostenzuschüsse an die MVG als vor Corona auf. Ausgleichszahlungen durch Bund und Land erfolgen nicht. Der Bau der U5 nach Pasing ohne Bundeszuschüsse steht in interessantem Kontrast zur fehlenden Ausweitung des Fahrplanangebots: Jahrzehntelang wurden in München nur U-Bahnen gebaut, wenn klar war, dass der Bau bezuschusst wird. Erst in der durch die Corona-Pandemie verursachten größten Haushaltskrise der Landeshauptstadt München der letzten 70 Jahre ist der Stadtrat in München davon abgewichen und beschloss den U-Bahnbau nach Pasing ohne Zuschüsse. Für den U-Bahnbau ist Geld da, für die Verbesserung des Fahrplanangebots leider nicht in ausreichendem Maße. Ein ähnliches Engagement wie für die U-Bahn wäre auch für Bus und Tram zu wünschen – dort gibt es erheblichen Investitionsstau: zu wenig Betriebshöfe, Wendeschleifen und Abstellgleise, schlecht ausgestattete (mangelhafter Wetterschutz) und unterdimensionierte Haltestellen.
Nun lassen sich die Baukosten für U-Bahnen und Zuschüsse zum Betrieb der MVG nicht 1:1 vergleichen, da sie einerseits dem Investitionshaushalt (U-Bahnbau), andererseits dem Verwaltungshaushalt (Betriebskostenzuschüsse) zuzuordnen sind. Durch Verschuldung finanzierte Investitionen verringern aber – durch Tilgung und Zinsen – den Spielraum, der im Verwaltungshaushalt für die Finanzierung des ÖPNV-Angebots zur Verfügung steht.“
Der ÖPNV benötigt nicht nur Geld, sondern auch Platz. Nun ist der ÖPNV das Stadtverkehrsmittel mit dem geringsten Flächenbedarf, aber das heißt nicht, dass die Infrastrukturbedürfnisse des ÖPNV vernachlässigt werden können. Dazu AAN-Sprecher Matthias Hintzen: „Von „Flächengerechtigkeit“ ist bei den Planungen zum Gewerbegebiet Frankfurter Ring nicht viel zu merken: Anstatt er Stadtverwaltung einen klaren Auftrag zur Untersuchung einer Busspur zu erteilen (der BA 11 befürwortet die Einrichtung einer Busspur auf dem Frankfurter Ring), verweist sie lediglich auf einen fernen Ausbau des S-Bahn-Nordrings durch den Freistaat. Richtig wäre, beide Varianten – sowohl eine Busspur oder Tram zur Feinerschließung. als auch eine S-Bahn zur weiträumigen Erschließung zur verfolgen. Stattdessen setzt die Stadt auf „S-Bahn (für die die Stadt gar nicht zuständig ist), um den Autos keinen Platz wegzunehmen.“ Hinzu kommt, dass es derzeit keine Planung für einen attraktiven S-Bahn-Betrieb auf dem Nordring gibt – es ist momentan nur ein eher rudimentärer Betrieb geplant.
Ein weiteres Beispiel: Trotz Klimanotstand wird verwaltungsintern seit rund zwei Jahren darüber diskutiert, ob künftig am Bahnhofsplatz drei oder vier Trambahngleise liegen sollen (vgl. Vorlage für den Planungsausschuss vom 29.3.2023, https://risi.muenchen.de/risi/sitzungsvorlage/detail/7568500, Seite 16). In der Münchner Stadtpolitik ist viel von Verkehrswende und Klimaschutz die Rede, aber einen der größten Verkehrsknotenpunkte Europas auch für ein künftig höheres ÖPNV-Verkehrsaufkommen ausreichend leistungsfähig per Tram zu erschließen, hat erkennbar keine Priorität“.
Positiv ist die im Dezember 2022 erfolgte Fortschreibung des ÖPNV-Bauprogramms zu sehen. AAN-Sprecher Berthold Maier: „Das ÖPNV-Bauprogramm bildet die Grundlage für einen großzügigen Ausbau des Trambahnnetzes, von dem die Fahrgäste in der ganzen Stadt profitieren werden. Leider läuft die Umsetzung bei der ersten Strecke – der Trambahn-Westtangente – aufgrund von Umständen, die die Landeshauptstadt München nicht zu vertreten hat, nicht so schnell wie gewünscht. Das ist selbstverständlich sehr ärgerlich. Verglichen mit dem Desaster des Freistaats beim S-Bahnausbau – die 2. Stammstrecke soll nach derzeitigem Stand 2037 fertig werden, bringt aber nur marginale Verbesserungen und keineswegs den erforderlichen 10-Minuten-Takt auf allen Linien – ist dies ein eher kleines Problem.“
Die vollständige Stellungnahme können Sie hier nachlesen.
Bildquellen:
- ubahnschild-sendlingertor-groessing_1200X800: F. Grössing