Juni 2024, Stellungnahmen der Stadtratsfraktionen zu der Anfrage des AK ‚Junges Forum‘ im Münchner Forum:
Die Nachricht, dass der Freistaat das älteste nutzbare Gebäude in München verkaufen will und unser Offener Brief an die Staatsregierung haben eingeschlagen wie eine Bombe. Das breite Medienecho zeigt: die Bevölkerung wünscht sich einen anderen Umgang mit dem Staatseigentum – sozial statt profitorientiert. Wir haben die demokratischen Parteien im Münchner Stadtrat um ihre Meinung gebeten. Was denken sie über den Verkauf des Zerwirkgewölbes? Wie stehen sie zur Bodenpolitik des Freistaats Bayern? Bis auf die Fraktion FDP/Bayernpartei haben wir von allen Fraktionen Stellungnahmen erhalten, die wir nachfolgend nach Fraktionsgröße aufführen.
Stadtratsfraktion Die Grünen/Rosa Liste
Fraktionsvorsitzender Sebastian Weisenburger
„Schon wieder agiert der Freistaat in Hedgefonds-Manier, anstatt seiner Verantwortung für das Gemeinwohl gerecht zu werden. Das Zerwirk – ein Stück Stadtgeschichte mitten in der Altstadt – wird verscherbelt, anstatt es zu einem Ort für alle umzugestalten. Leider hat dieses Vorgehen unter Söder System: Bayern hat immer noch kein Gesetz, das die günstige Abgabe von Grundstücken an die Kommunen regelt. Im Bund ist das anders: Die Ampel-Regierung hat den Kommunen eine sogenannte Erstzugriffsoption auf Immobilien der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben eingeräumt. Wir als grün-rosa Fraktion im Stadtrat haben bereits erreicht, dass sich der Oberbürgermeister bei der bayerischen Staatsregierung für ein solches Gesetz einsetzt.“
Stadtratsfraktion CSU
Stadträtin und planungs- und kommunalpolitische Sprecherin Heike Kainz
„Grundsätzlich sehen wir ebenso wie Sie die Notwendigkeit, möglichst alle verfügbaren Flächen der öffentlichen Hand im Bestand zu behalten und entsprechend priorisierter Notwendigkeiten für öffentliche Aufgaben zu nutzen, bspw. um bezahlbaren Wohnungsbau zu fördern. In diesem speziellen Fall handelt es sich aus unserer Sicht allerdings um eine Immobilie, welche unter strengstem Denkmalschutz steht. Sollte bei allen Auflagen, die dies mit sich bringt überhaupt ein Käufer gefunden werden, steht unserer Ansicht nach nicht zu befürchten, dass man städtebaulich relevante Veränderungen vornehmen kann. Vom Grundsatz her können auch wir uns ggf. eine der Historie des Gebäudes angepasste kulturelle Nutzung vorstellen, die allerdings nicht notwendigerweise vom Freistaat betrieben werden muss, wenn er keinen Bedarf dafür hat.“
Stadtratsfraktion SPD/Volt
Stadtrat Klaus Peter Rupp
„Es ist absolut unverantwortlich, was der Freistaat tut. Zuerst lässt er ein historisches Kleinod jahrelang verkommen und nun will er es verscherbeln. Wir brauchen eine denkmalgerechte Sanierung, um Platz für bezahlbaren Wohnraum, Gastronomie und Kultur zu schaffen. Dieses historische Haus muss den Münchner*innen zurückgegeben werden. Büros braucht dort niemand.”
Stadtratsfraktion Die Linke/Die PARTEI
Fraktionsvorsitzender Stefan Jagel
„Unsere Stadtratsfraktion Die Linke / Die PARTEI lehnt den Verkauf des Zerwirkgewölbes durch die Bayerische Staatsregierung kategorisch ab, so wie wir grundsätzlich Veräußerungen von Grund und Boden ablehnen.
Die Vergangenheit zeigt sehr deutlich, dass die Privatisierung der falsche Weg ist. 32.000 Wohnungen wurden 2013 unter dem damaligen Finanzminister Markus Söder an ein privates Konsortium verkauft. Maximale Mieterhöhungen, Verdrängung und kaum Investitionen in den Bestand folgten. Für viele Menschen, gerade in den großen Städten, waren die Folgen dramatisch. Wir brauchen mehr und nicht weniger Wohnraum in der öffentlichen Hand, um dem Mietenwahnsinn zu begegnen.
Auch die Stadt München und zugehörige Unternehmen haben bis in die 2000er Jahre Grundstücke verkauft, um den Haushalt aufzuhübschen. Ein Beispiel ist das Heizwerk in der Müllerstraße. Dort entstanden anschließend Luxuseigentumswohnungen, die völlig am Bedarf der Bevölkerung Münchens vorbeigingen. Wir begrüßen, dass die Stadt München, auch dank des Drucks der Zivilgesellschaft, heute anders handelt und Grund und Boden in ihrer Hand hält.
Wir fordern, dass mehr Grund und Boden in die öffentliche Hand kommt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Stadtentwicklung nach dem Interesse der Bevölkerung voranschreitet und nicht nach dem privater Investoren.
Dies ist nicht nur insbesondere für die Mieter*innen in unserer Stadt wichtig, sondern auch für soziale- und kulturelle Einrichtungen. Für diese müssen die Mieten in München ebenfalls bezahlbar bleiben.“
Stadtratsfraktion ÖDP/München Liste
„Wie Sie unserem Antrag entnehmen können, steht die Fraktion ÖDP/München-Liste geschlossen hinter dem Ziel, das Zerwirkgewölbe in öffentlicher Hand zu halten.
Wir möchten unsere volle Unterstützung für Ihre Forderungen zum Ausdruck bringen, den Verkauf des Zerwirkgewölbes durch den Freistaat Bayern unverzüglich zu stoppen und eine transparente Diskussion über die zukünftige Nutzung dieses historischen Gebäudes zu führen. Wir teilen Ihre Ansicht, dass das Zerwirkgewölbe einer gemeinwohlorientierten Verwendung zugeführt werden sollte, sei es für soziale Zwecke oder als bezahlbare Flächen für gewerbliche und (sub-)kulturelle Nutzungen, die auf dem angespannten Münchner Mietmarkt besonders schwer Fuß fassen können.
Darüber hinaus unterstützen wir die Forderungen nach einem sozial verträglichen Umgang mit den verbliebenen Grundstücken und Immobilien im Eigentum des Freistaats Bayern und der ihm angegliederten Gesellschaften, Institutionen und Unternehmen. Der bisherige Verkauf nach Höchstgebot oder die Vermietung nach Höchstpreis müssen eingestellt werden. Stattdessen sollten soziale Aspekte wie die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums, bezahlbarer Gewerbeflächen oder sozial inklusiver Orte als oberste Kriterien bei der Vergabe berücksichtigt werden.“
Bildquellen:
- Zerwirkgewölbe München und Logos der Stadtratsfraktionen: User: Mattes / Wikimedia Commons