| Susanne Romey | Ein Erfahrungsbericht aus dem Münchner Westen.
Ja, wie lebt es sich hier in München? Ich würde mal sagen – stressig.
Jetzt im Winter kann ich zwar endlich den Westpark wieder nutzen, ich kann wieder joggen und spazierengehen – schön! Auch auf den Radwegen stehe ich jetzt weniger oft im Stau, und am Starnberger See sieht man wieder grüne Wiesen statt ein Meer von Badehandtüchern. Ach ja, und die Ausfahrt Langwied ist wohl jetzt nicht mehr gesperrt, was im Sommer ja regelmäßig der Fall ist – wegen Überfüllung der Parkplätze am Langwieder- und Lußsee. Leider ist es schon zu kalt, um im See schwimmen zu gehen, aber macht ja nix, dann gehe ich halt ins Westbad. Ach so, das ist geschlossen … wegen Dachrenovierung bis Frühjahr 2025! Vor vier Wochen stand da noch: bis Dezember geschlossen.
Westbad
Na, macht doch auch nix, auch wenn ich mich oft und gerne dort mit meiner 85-jährigen Mutter traf, um zu schwimmen und saunieren, denn sie kommt ja sowieso nicht mehr dorthin!
Wie dumm, die Trambahnlinie 19 fährt nicht mehr, und bis zum SEV-Verkehr ab Lautensackstraße zu gehen, schafft sie körperlich nicht mehr. Oh je, alte Dame, dann müssen Sie halt verzichten, München plant doch die Verkehrswende, da muss man sich schon einmal ein bisschen zurücknehmen.
Verkehrssituation
Theoretisch wäre es ja noch möglich, sie ab Hadern mit dem Auto abzuholen – ein gewagtes Unterfangen! Von Hadern über die Fürstenrieder Straße zur Agnes-Bernauer-Straße fahren, hu hu, eine echte Herausforderung!
Dorthin würde ich es vermutlich, sofern das Bad denn geöffnet wäre, schon schaffen, meine Nerven leider nicht. Grund: die Megabaustelle für die Tram-Westtangente. Und manchmal frage ich mich schon, ob es dem Stadtrat, bei der aktuellen katastrophalen Finanzlage der Stadt München, vielleicht doch ganz zupass kommt, dass die Dachrenovierung des Westbades etwas länger dauert als zunächst kommuniziert. Aus diesem Grund kann das (natürlich subventionierte) Bad geschlossen bleiben. Also kein Schwimmen und kein Saunabesuch im Winter 2024.
Leute, was ist denn in dieser Stadt los? Ich frage mich oft – geht es nur mir so oder allen anderen auch?
Wenn ich mit dem Rad zur Arbeit in den Münchner Osten fahre, muss ich durchschnittlich täglich ca. zweimal einem auf dem Radweg geparkten Fahrzeug ausweichen, ich höre durchschnittlich fünfmal pro Fahrt das durchdringende Hupen völlig genervter Autofahrer oder werde von Radfahrern angeklingelt, ca. fünfmal pro Woche muss ich stehen bleiben, um mir die Ohren zuzuhalten, da ein Rettungswagen von irgendwo nach irgendwo muss, und ich stelle fest: Die armen Münchner, Münchnerinnen und ich sind täglich total gestresst.
Wohnen
Meine 22-jährige Tochter würde gerne ausziehen – keine bezahlbare Wohnung auffindbar…wie? Die rot-grüne Stadtratsmehrheit baut doch seit Jahren Wohnungen? Wieso gibt es dann keine Wohnungen? Warum wird der Wohnungsmangel immer größer und die Wohnungen immer teurer?
Ja, und das sollten die Münchner*innen endlich einmal verstehen – der Zuzug nach München ist seit Jahren größer als die Zahl der Wohnungen, die neu gebaut werden, und der Münchner Stadtrat hat es ganz elegant geschafft, den Münchner*innen den angeblichen Wohnungsmangel in die Köpfe zu packen, ohne dass sie realisieren, dass nicht für sie oder ihre Kinder Wohnungen gebaut werden, sondern für Leute, die neu nach München ziehen und z. B. bei Google oder Apple etc. arbeiten werden.
Politik
Ganz ehrlich – unser Oberbürgermeister ist, meiner Meinung nach, mit Abstand einer der besten Politiker unserer Zeit – denn er schafft es seit Jahren, sich als Kümmerer der Interessen der Münchner*innen darzustellen, obwohl er genau das Gegenteil tut. Das, was hier passiert, ist NICHT Politik für die Münchner*innen, sondern für Neu-Münchner*innen und die, die es werden wollen. Die Spekulanten und Baufirmen freuen sich natürlich auch und seltsamerweise tauchen auch immer wieder die gleichen Namen bei großen Bauprojekten auf. Ein Schelm wer da etwas vermutet…
Ich erinnere mich noch genau an seinen damaligen Wahlkampfslogan: „damit München so bleibt wie es ist“.
Die Argumentation – eine Stadt muss sich entwickeln – ich kann sie nicht mehr hören. Hier gedeiht allein der tägliche Stress und der Schuldenberg der Stadt München. Denn nicht einmal diese Rechnung geht auf – mehr Gewerbesteuereinnahmen durch neue Firmen. Denn jetzt haben wir das Problem, dass in München kein Mensch mehr von A nach B kommt und riesige Infrastrukturprojekte gestemmt werden müssen, was die Stadt ganz offensichtlich überfordert.
Nun, noch nie hat sich München so fundamental verändert wie in der Zeit, seitdem er OB ist. Und meiner Meinung nach nicht zum Guten. Die so gerne angebrachte Lebensqualität – ja wo ist sie denn? Meine Lebensqualität geht immer weiter zurück, die Parks im Sommer nicht mehr nutzbar, die Seen, Parks, Schwimmbäder, Straßen, U-Bahnen, Trams: voll. Neulich fuhr ich einmal morgens ab Holzapfelkreuth ausnahmsweise mit der U-Bahn zum Sendlinger Tor, schon beim Einsteigen alles total überfüllt und ab Implerstraße: kein Zustieg mehr möglich.
München ist bereits die am dichtesten besiedelte Stadt in Deutschland, rein rechnerisch hat ein Hamburger doppelt so viel Platz wie ein Münchner. Und das macht etwas mit uns, zumindest empfinde ich es so. Täglich erleben wir schimpfende Radfahrer, hupende Autos und wütende Fußgänger, und ich stelle fest, dass wir alle unfassbar gestresst und genervt sind in dieser Stadt. Und ICH VERSTEHE NICHT, warum die Münchner*innen nicht endlich etwas kritischer auf die Stadtpolitik schauen, denn die Weltstadt mit Herz gibt es nicht mehr.
Weniger ist mehr – dies scheinen wir hier in München vergessen zu haben.
Die Autorin:
Susanne Romey ist Grundschullehrerin, in München geboren und hat hier fast immer gelebt.
Bildquellen:
- Auslieferungsfahrzeug auf dem Rad-/Gehweg: Susanne Romey