| Andreas Rimböck |

Zahlreiche Starkregen- und Hochwasserereignisse der letzten Jahre haben die Grenzen technischer Schutzmaßnahmen deutlich vor Augen geführt und weiteren Handlungsbedarf aufgezeigt. Auf der anderen Seite nehmen aber auch die Dürreperioden zu, sodass eine ausreichende Grundwasser-Neubildung und Maßnahmen zur Milderung starker Temperaturanstiege in unseren Siedlungsräumen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Die gute Nachricht vorweg: viele der daraus resultierenden Anforderungen sind mit zielorientiertem und nachhaltigem Planen und Bauen zu erfüllen. Dabei entstehen häufig kostengünstige und konsensfähige Lösungen, die meist sogar noch weiteren zusätzlichen attraktiven Nutzen mit sich bringen, beispielsweise für die Ökologie, die Sozial- und Erholungsfunktion oder ansprechende moderne Gestaltungsmöglichkeiten.

München und Wasser – eine enge Beziehung

München ist seit je her eine an Wasser reiche Stadt. Neben der prägenden Isar („Die Reissende“!) und kleineren Flüssen, wie Würm und Hachinger Bach gibt es seit Jahrhunderten zahlreiche Stadtbäche. Diese wurden errichtet, um die Kraft des Wassers vor allem in Mühlen, aber auch als Transportweg zu nutzen.
So stellt sich heute vor dem Eindruck des Klimawandels die Frage, wie die an sich wasserreiche Stadt München mit diesem Schatz vor allem in der Planung umgehen soll. Gleich vorab: der Klimawandel nagt an so mancher bisherigen Selbstverständlichkeit! So werden wir künftig vermehrt Zeiten mit zu viel Wasser, also Starkregen, Sturzfluten oder Hochwasser, aber eben auch Zeiten mit zu wenig Wasser, also Trockenheit, Dürre und Hitze erleben. Gleichzeitig steigen die gesellschaftlichen Ansprüche an die Versorgung mit Trinkwasser, aber auch zur Bewässerung. Daher wird es unabdingbar, die Speicherung von Wasser (und damit den Ausgleich zwischen dem „zu viel“ und „zu wenig“) zu verbessern. Eine ganz wesentliche Rolle als Speicher erfüllt der Boden unter uns! Daher müssen dessen Rückhalte- und Speicherfunktionen wesentlich gestärkt werden. Dazu sind Maßnahmen in der Landschaft (Landschaftswasserhaushalt), aber gerade auch in den Siedlungen (Schwammstädte) nötig.

Grün-blaue Infrastruktur: Beispiel einer multifunktionalen Fläche mit sehr geringem Aufwand, aber hoher Wirkung

Grün-blaue Infrastruktur: Beispiel einer multifunktionalen Fläche mit sehr geringem Aufwand, aber hoher Wirkung

Was ist eine Schwammstadt und welche Vorteile bringt sie?

Die Neuausrichtung im Umgang mit dem Regenwasser lässt sich am besten an Hand der Handlungsprinzipien zusammenfassen. Hieß es lange Zeit: „Wie bekomme ich das Regenwasser schnell weg (in den Fluss, oder zumindest aus der Stadt)? – so lauten heute die Leitfragen eher: Wo fällt Regenwasser an? Wo kann ich es nutzen oder zumindest zwischenspeichern? Wo kann ich Stadtgrün damit versorgen und aktiven Klimaschutz betreiben?
Wesentliches Element ist die Versickerung von Regenwasser: jeder Tropfen, der versickert, mildert Sturzflutabflüsse und stärkt unser Grundwasser! Hierzu ist es nötig, möglichst viele Flächen „offen“ zu gestalten: Rasengittersteine statt Asphalt, begrünte Sickermulden statt Beton oder auch ansprechende Gründächer statt Ziegeldach!
Auch Rückhaltung sollte, wo immer möglich, erfolgen: am einfachsten an der Oberfläche: begrünte Mulden können bei Starkregen kurzzeitig eingestaut werden und dem Wasser mehr Zeit zur Versickerung geben. Dort wo „natürliche“ Rückhaltungen nicht möglich sind, kommen auch technische Maßnahmen in Frage: zum Beispiel speichern Rigolen besonders viel Wasser und können damit auch Straßenbäume versorgen. Auch Zisternen können Wasser vorübergehend aufnehmen.
Zuletzt wird der natürliche Wasserhaushalt durch erhöhte Verdunstung gestärkt. Hier entsteht ein besonders positiver Nebeneffekt: die Temperaturen werden gemildert – in verstärkten sommerlichen Hitzeperioden sehr wertvoll! Also mit dem gespeicherten Wasser möglichst viele Dachgärten, Fassadenbegrünungen und Straßenbäume versorgen, um im Sommer Schatten und Kühlung zu erzielen. Ein Stadtbaum ersetzt Dutzende Klimaanlagen. Ganz nebenbei entsteht so Lebensraum für Pflanzen und Tiere, teilweise auch für seltene Arten!

Dachgarten als Erholungsraum

Dachgarten als Erholungsraum

Wo passiert hier schon was in München

Gerade als Oberlieger an einem Fluss, der im weiteren Verlauf halb Europa durchquert, steht München in der Verantwortung, Hochwasser nicht zu „exportieren“, sondern vor Ort alles Mögliche zum nachhaltigen Umgang zu unternehmen. Der klassische Hochwasserschutz ist mit dem Sylvenstein-Stausee im Oberlauf der Isar schon sehr gut ausgebaut. Mit den dort zurückgehaltenen Wassermengen konnten 1999 und 2005 immense Schäden in der Landeshauptstadt vermieden werden. Auch beim Umgang mit dem Regenwasser von den Straßenflächen hat die Stadt etwa mit dem riesigen Rückhaltebecken am Hirschgarten (90.000 m³ Fassungsvermögen) auch viel für den Gewässerschutz erreicht. Dennoch müssen die Aktivitäten im Bereich Schwammstadt weiter intensiviert werden.
Es geht los in kleinem Rahmen: eine Hinterhofentsiegelung mit anschließender Begrünung, ein Gründach nach einer Gebäudeaufstockung oder wasserdurchlässige Straßen und Wege sind ein wertvoller Beitrag auf dem Weg in Richtung Schwammstadt. Besonders konsequent erfolgte der Umgang mit dem Regenwasser bei der Konzeption des neuen Stadtteils Freiham: mit intensiver Fassaden- und Dachbegrünung, wasserdurchlässigen Belägen, temporärem Rückhalt und vielen anderen Maßnahmen wird kein Regenwasser aus dem Gebiet mehr abgeleitet. Die Grünstreifen an den Straßen werden mit Baumrigolen ausgestattet, die genug Platz für die Wurzeln der Bäume bieten, aber auch zeitweise Wasser zurückhalten können und dem Baum dann bei Trockenheit zur Verfügung stellen.
Dennoch bleibt in München, der deutschlandweit am stärksten versiegelten Großstadt, noch viel zu tun. Auch hier am Alpenrand wird die Veränderung der Niederschläge durch den Klimawandel spürbar und mit Blick auf die Zukunft werden die Schwammstadtkonzepte immer wichtiger.

Fazit

Generell wird es immer wichtiger, das Wasser bei allen Planungen von Beginn an mitzudenken und ihm den nötigen Raum zu geben. Gute Lösungen und Synergien mit dem Klimaschutz lassen sich dann häufig direkt vor Ort finden. Hierzu müssen alle an einem Strang ziehen und ein gemeinsames „Wasserbewusstsein“ entwickeln. Über multifunktionale Flächennutzung lassen sich häufig mehrere Ziele auf weniger Flächen erreichen!

Autor:
Dr.-Ing. Andreas Rimböck ist stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Bayern der Deutschen Vereinigung für Wasser- und Abfallwirtschaft. In dieser Funktion hat er eine Kooperation wichtiger Kammern und Vereinigungen im Bausektor zum Thema „wassersensibel Planen und Bauen“ (www.schwammstadt.bayern ) initiiert. Zudem leitet er die Abteilung „Wasserbau, Hochwasser- und Gewässerschutz“ am Bayerischen Landesamt für Umwelt in Augsburg, das sich ebenfalls mit diesen Themen befasst.

 

Dieser Text stammt aus dem Online-Magazin STANDPUNKTE 07./08./09.2023 zum Themenschwerpunkt “Wasser in der Stadt?”

 

Bildquellen:

  • Schwammsiedlung: Grundprinzip, Funktionen, Maßnahmen: DWA Bayern
  • Grün-blaue Infrastruktur: Beispiel einer multifunktionalen Fläche mit sehr geringem Aufwand, aber hoher Wirkung: Rimböck
  • Dachgarten als Erholungsraum: Orlamünde
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