| Michael Schneider |
Münchner Forum: Seit wann gibt es denn eigentlich die Initiative Parkraumwende?
Parkraumwende München: Die Initiative gibt es seit Ende 2024. Wir drei beschäftigen uns mit dem Parken aus unterschiedlichen Perspektiven. Sigrid Eck ist Mitglied im Bezirksausschuss Maxvorstadt, Wiebke Hederich beschäftigt sich als Anwältin mit dem Thema Mobilität und Heiko Bielinski, der heute nicht da ist, erfasst auf autokorrekturmuc.de seit einigen Jahren die Auslastung der Parkhäuser in der Innenstadt. Wir haben alle drei zusammen festgestellt, dass das Thema Parken in München anders angegangen werden muss. Gemeinsam erreicht man mehr.
Münchner Forum: Leisten Sie beim Thema Parken in München Pionierarbeit?
Parkraumwende München: Parken ist natürlich immer wieder ein Thema für Politik oder Verwaltung, aber es hat sich bislang niemand systematisch mit dem privaten Parkraum beschäftigt. Politik und Verwaltung beschäftigen sich vor allem mit dem öffentlichen Raum. Der private Parkraum spielt nur eine Rolle, wenn es eine Nutzungsänderung oder Neubau gibt, dann muss privater Parkraum vorgehalten werden. Aber es beschäftigt sich eigentlich niemand damit, ob dieser private Parkraum optimal genutzt wird.
Münchner Forum: Wie sind denn die Zahlen, Daten und Fakten zum Parken in München aktuell?
Parkraumwende München: Laut Statista gab es in München im Jahr 2024 763.000 Pkw. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 waren es noch 145.000 Pkw weniger. Es gibt leider keinen Überblick über die Parkplätze im privaten Raum. Aber es gibt einzelne Beispiele. So hat die Agentur für Arbeit direkt am Dreimühlenviertel, wo der Parkraum oberirdisch sehr knapp ist, über 250 Stellplätze, die für Besucher und Mitarbeiter kostenlos zugänglich sind. Am Rotkreuzplatz gibt es die Tiefgarage des Kaufhofs mit über 200 Stellplätzen. Da sind auch zu den Öffnungszeiten immer 180 frei. Damit könnte man also in Neuhausen die Pkw von ganzen Straßenzügen verlagern. Und in der Orleansstraße in Haidhausen sind in einer Tiefgarage auch immer über 100 Pkw-Stellplätze leer. Es gibt viele Beispiele überall in der Stadt, wo große Flächen frei stehen, gar nicht zu sprechen von den kleinen Garagen im Hinterhof, die oft als Schuppen genutzt werden und nicht entsprechend des ursprünglichen Zwecks.
Münchner Forum: Welche Ziele hat sich die Parkraumwende München gesetzt?
Parkraumwende München: Die Verlagerung vom Parken weg aus dem öffentlichen Raum hinein in den privaten Raum, das ist das übergeordnete Ziel. Daraus folgen weitere Ziele: Es ist wichtig für die Klimaanpassung, dass wir Platz für Bäume und Versickerungsflächen schaffen. Eine Verlagerung ist sozial gerecht, weil im Durchschnitt arme Haushalte seltener ein Auto haben, während reiche Haushalte häufiger zwei Autos besitzen und oft auch noch ein großes Auto wie ein Wohnmobil, oder auch ein Boot. Beides steht nahezu kostenlos im öffentlichen Raum. Dann ist die Verlagerung wichtig für den Wirtschaftsverkehr, weil der oft illegal parkt, weil es keine legalen Parkplätze gibt. Das ist nicht schön für die Lieferanten und Handwerker, die da ausfahren müssen. Und es ist auch nicht gut für Fußgänger, die gefährdet werden, wenn auf dem Gehweg geparkt wird. Und ganz wichtig ist die Verlagerung für die Sicherheit. Es gibt eine Studie vom Verband der Unfallversicherer, dass viele Unfälle durch Parken begünstigt werden, weil Fußgänger, besonders Kinder, übersehen werden.
Münchner Forum: Passen denn die Ziele von Ihnen auch zu den Zielen der Mobilitätsstrategie 2035? Greift das ineinander?
Parkraumwende München: Die übergeordneten Ziele entsprechen sich: Aufenthaltsqualität, sichere Fuß- und Radwege, Klimaanpassung, Flächen für den ÖPNV, das sind auch unsere Ziele. Was nicht so gut passt, sind die Maßnahmen, die in der Strategie vorgegeben werden. Nach der Strategie können etwa Pkw bis zu einer Länge von 6 Meter einen Bewohnerparkausweis bekommen. Das bedeutet, dass die meisten Wohnmobile weiterhin nahezu kostenlos im öffentlichen Raum abgestellt werden können. Man sieht das beispielsweise am Arnulfpark, wo wirklich riesige weiße Wohnmobile im öffentlichen Raum stehen. Die Länge müsste begrenzt werden auf höchstens 5,50 Meter.
Münchner Forum: Haben Sie schon Kooperationspartner gewinnen können für ihre Ziele?
Parkraumwende München: Wir vernetzen uns mit vielen Akteuren der Stadtgesellschaft, auch mit dem AK ‚Nachbarschaftsviertel‘ des Münchner Forums, mit Politik, Immobilienwirtschaft, mit Parkraumbetreibern, mit der Wissenschaft, Verwaltung und Verbänden.
Münchner Forum: War Georg Dunkel auch schon bei Ihnen?
Parkraumwende München: Wir haben mit der Verwaltung, also seinem Referat, gesprochen, mit ihm selbst nicht. Was wir für alle Akteure sagen können: Wir stoßen auf offene Ohren und großes Interesse. Und egal mit wem wir sprechen, jeder sagt: Ja, dieses Thema muss angegangen werden.
Münchner Forum: Warum darf man ein Auto überhaupt auf der Straße abstellen?
Parkraumwende München: In Deutschland trennen wir zwischen Sondernutzung und Gemeingebrauch. Das Abstellen von Gegenständen im öffentlichen Raum ist eigentlich eine Sondernutzung, weil ich andere von der Nutzung des Raums ausschließe. Historisch bedingt durch den Glauben an die autogerechte Stadt haben wir jetzt die komische Ausnahme, dass Fahrzeuge die einzigen Gegenstände sind, die ich draußen abstellen darf. Fahrräder übrigens auch.
Münchner Forum: Was würde denn passieren, wenn ich jetzt einen Baucontainer einfach auf der Straße abstelle und ein Schild dranklebe, auf dem steht: „Dieser Baucontainer gehört Michael Schneider“?
Parkraumwende München: Dann bekommen Sie im Nachhinein zum einen ein Bußgeld und zum anderen eine Sondernutzungsgebühr. Und Sie müssen das vorher beantragen. Die Größenordnung kann schnell 1.000 € im Monat sein. Es gibt eben den Anreiz, einen Baucontainer nicht länger als irgend notwendig im öffentlichen Raum zu lassen, weil das richtig teuer ist.
Münchner Forum: Haben wir denn eigentlich in Deutschland eine Garageneinstellpflicht? Wenn ich eine Garage habe, muss ich dann dieses Fahrzeug auch in diese Garage stellen?
Parkraumwende München: Nein, die gibt es nicht. Das ist also ein komischer Widerspruch. Wir haben einerseits die Bauordnungen, nach denen man, wenn man baut, ausreichend Garagenstellplätze nachweisen muss. Man muss sie dann aber nicht nutzen. Baurechtlich ist es so, dass ich die Garage nicht zweckentfremden darf. Man darf sie zwar leer stehen lassen, aber nicht so umgestalten oder vollstellen, dass man dort kein Auto mehr abstellen kann.
Münchner Forum: Wird es geahndet, wenn festgestellt wird, dass eine Garage zweckentfremdet wird?
Parkraumwende München: Nein.
Münchner Forum: Gibt es denn ein Parkplatzkataster für München?
Parkraumwende München: Nein, das gibt es nicht. Im Bezirksausschuss 3 gab es den Antrag, dass die Stadt abgleichen möge, wer schon einen privaten Stellplatz hat, damit diese Leute keine Anwohnerausweise bekommen. Als Antwort kam, dass dieser Abgleich aus Datenschutzgründen nicht möglich sei. Garagenstellplätze an Externe zu vermieten, um sie besser zu nutzen. Es gibt ja auch das wichtige Thema Environmental Social Governance (ESG) in der Immobilienwirtschaft. Das bedeutet, dass ich mich bemühe, meine Immobilie sozial gerecht und auch ökologisch zu nutzen. Das ist ein weiterer Anreiz. Es bräuchte hierzu aber Unterstützung durch die Stadt: Zum einen ist zurzeit einfach kein Markt dafür da, große Garagen zu nutzen, weil die Menschen im Zweifel lieber fast kostenlos im öffentlichen Raum parken. Zum anderen bräuchte es auch Unterstützung bei der baurechtlichen Nutzungsänderung. Nicht zuletzt ist die Stadt Eigentümerin von großen Tiefgaragen in zentralen Lagen. Da werden zurzeit viele Bedenken angeführt, etwa zur Sicherheit von Dienstfahrzeugen. Wir denken, dass es hier technische Lösungen gibt. Und wir sind auch zuversichtlich, dass die Stadt das in Zukunft verfolgen wird.
Münchner Forum: Haben Sie denn schon herausfinden können, unter welchen Umständen Autofahrer bereit wären, ihre Fahrzeuge auch in solchen Garagen zu parken?
Parkraumwende München: Es ist natürlich einmal der Preis und dann die Bequemlichkeit. Das heißt, dass der Stellplatz möglichst nah sein soll und möglichst bequem. Ich glaube, dass ein wichtiger Faktor hier die Gewohnheit ist. Wenn jemand sich erst mal daran gewöhnt hat, dass ein Stellplatz Geld kostet und das er vielleicht auch ein kleines Stück weiter weg ist, dann richtet man sich ja auch darauf ein, den zu nutzen und sucht nicht lange im öffentlichen Raum nach einem Parkplatz und belastet dadurch die Umgebung.
Münchner Forum: Wieviel Prozent der parkenden Autos könnte man denn rein rechnerisch in nicht gut genutzten Garagen unterbringen?
Parkraumwende München: Wenn man etwas längere Wege in Kauf nehmen würde, würden wahrscheinlich alle Pkw, die in München auf der Straße stehen, in private Garagen passen.
Münchner Forum: Wie kann es eigentlich sein, dass eine Parklizenz in München mit 30,70 € im Jahr so günstig ist, verglichen mit einem Parkplatz, den ich privat anmieten muss?
Parkraumwende München: Weil Autoparken Gemeingebrauch ist, und der ist im Grundsatz kostenlos. Fläche hat ja einen Wert, und in München einen hohen Wert. Das merkt man daran, was Gastronomen oder Obsthändler für die Fläche zahlen müssen. Der Gastronom zahlt 1.000 € im Jahr für eine vergleichbare Freischankfläche und eine Obstfrau würde 2.000 € im Jahr zahlen. Und für einen privaten Stellplatz, den viele in München mit ihrer Wohnung mieten müssen, ob sie ihn brauchen oder nicht, liegen die Preise zwischen 60 und 200 € pro Monat. Der Preis eines Parkplatzes im öffentlichen Raum spiegelt nicht im Ansatz wider, was für einen Wert die Fläche hat.
Münchner Forum: Was könnte denn die Landeshauptstadt im Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit noch tun, um im Sinne einer Parkraumwende zu handeln?
Parkraumwende München: Die Parkgebühren zu erhöhen und dabei die rechtlichen Spielräume auszuschöpfen, das heißt sich nicht auf dieser vermeintlichen formalen 30,70 €-Obergrenze für Bewohnerparklizenzen auszuruhen. Wenn man zum Beispiel im Dreimühlenviertel in eine Ausnahmegenehmigung ändern würde, dann wäre die Obergrenze auf einmal 767 €. Ausnahme bedeutet: Nicht mehr jeder hat ein Anrecht. Man könnte beispielsweise die Krankenschwester, die zur Arbeit fahren muss, wirklich privilegieren. Das ist bei einer Bewohnerparklizenz so nicht möglich. Was die Stadt München auch noch verbessern kann, ist, ihre eigenen Garagen zu bewirtschaften und überhaupt erst mal zu messen, wie voll die eigenen Garagen sind, und dann die parkenden Autos dahin zu verlagern. Wichtig ist auch, dass mehr kommuniziert wird, wo privater Parkraum vorhanden ist. Die Augustenstraße wird ja umgestaltet, und unter großem Protest entfallen 50 Pkw-Stellplätze. In der ganzen Diskussion ist untergegangen, dass im Bereich der Augustenstraße über Kleinanzeigen und Immobilienscout auch 50 Stellplätze zu finden wären. Die werden dort nämlich vermietet, und zwar zu sehr fairen Preisen im zweistelligen Eurobereich.
Münchner Forum: Im März wurde im Werksviertel das neue vertikale Parksystem VePa vorgestellt, wo man mit einem Paternosterprinzip zwölf Kraftfahrzeuge auf eine Grundfläche von 49 Quadratmetern bringt. Ist das ein sinnvoller Ansatz, in bestimmten Quartieren, wo es tatsächlich zu wenig Stellplätze im Bestand gibt, in Leichtbauweise ohne riesigen CO2-Fußabdruck auch neue Garagen zu errichten?
Parkraumwende München: Dieses Vertical Parking ist ein Hingucker, ein Kommunikationsthema. Aber es ist nicht die Lösung. Es sind immer noch 49 Quadratmeter und diese 12 Pkw sollten vorrangig in
leeren Tiefgaragen im Bestand untergebracht werden.
Die Interviewpartnerinnen:
Wiebke Hederich ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie beschäftigt sich sowohl beruflich als auch privat mit Stellplätzen und der nachhaltigen Nutzung von Immobilien. Als Teil der Initiative Parkraumwende setzt sie sich dafür ein, dass privater Parkraum effizienter genutzt wird.
Sigrid Eck arbeitet als Kommunikationsberaterin. Ehrenamtlich engagiert sie sich im Bezirksausschuss Maxvorstadt, wo sie auch Vorsitzende des Unterausschusses Mobilität und öffentlicher Raum ist. Ihre Leidenschaft gilt der Mobilitätswende und dass ein Stadtviertel lebenswert bleibt.
Dieser Text stammt aus dem Online-Magazin STANDPUNKTE 07./08./09.2025 Scheitert die Mobilitätswende?
Bildquellen:
- Parkende Autos: Donauwood / Pixabay
- Wiebke Hederich: Nell Killius
- Sigrid Eck: Nell Killius