Pressemitteilung des Arbeitskreises ‚Attraktiver Nahverkehr‘ (AAN) des Münchner Forums und des Fahrgastverband PRO BAHN , 04.05.2023:
Überschaubare Ergebnisse der ersten Halbzeit – Tempo und Konsequenz in der Umsetzung muss in der zweiten Hälfte der Wahlperiode deutlich zunehmen
Vor drei Jahren ist die Münchner Grün-Rote Rathauskoalition mit dem Anspruch angetreten, »die Verkehrswende konsequent umzusetzen«, und dazu die Öffentlichen Verkehrsmittel deutlich zu verbessern: »mehr Fahrzeuge, höhere Takte, mehr Expresslinien« und Busspuren beschleunigt einzurichten, sowie mehrere neue Tram-Strecken zu bauen und weitere Strecken zu planen. Die Zwischenbilanz zur Halbzeit der Wahlperiode ist durchwachsen und die Ergebnisse sind überschaubar: Die Verbesserung des Fahrplanangebots ähnelt eher einer Springprozession, wobei der Sprung nach vorne noch aussteht. Beim Tramausbau wurden zwar die richtigen Grundsatzentscheidungen getroffen, die Planung und Realisierung neuer Strecken zieht sich aber hin. Das Ziel, bis 2030 den ÖV-Anteil Anteil im Modal Split (d.h. an allen zurückgelegten Wegen) auf 30 Prozent zu heben, ist nur noch erreichbar, wenn die Stadtregierung es ab sofort ganz konsequent verfolgt.
Beim Tramausbau gibt der Koalitionsvertrag ein ambitioniertes Ziel vor. Mit dem ÖPNV-Bauprogramm (vom Dezember 2021, fortgeschrieben im Dezember 2022) wurde eine gute Grundlage für die weitere Planung gelegt. Dennoch stockt der Ausbau, nicht nur bei den aktuellen Strecken, sondern auch bei den Planungen für weitere Strecken.
Dazu Andreas Barth vom Fahrgastverband PRO BAHN: „Für den Ausbau der Tram hat die Stadt perspektivisch die richtigen Maßnahmen ergriffen. Das geplante Netz wird in ganz München für eine deutliche Verbesserung des ÖPNV sorgen. Doch bei der Umsetzung auch gerade der weiteren Strecken muss es deutlich schneller gehen, damit die Ziele erreicht werden. Bei den Strecken der Tram 23 und 24 sowie bei der Tram Y-Nord könnten wir schon weiter sein. Hier muss die Politik bei der Umsetzung ihren Grundsätzen des Koalitionsvertrags bezüglich Prioritäten und Flächenaufteilung treu bleiben. Hingegen sind die Verzögerungen bei der Westtangente nachvollziehbar und im Verantwortungsbereich des Freistaats Bayern mit seinem desaströsen S-Bahn-Ausbau. Bei der Nordtangente war es richtig, die Planung neu aufzusetzen. Es spricht für Grün-Rot, dass hier eine Verzögerung in Kauf genommen wird, um ein besseres Ergebnis zu erreichen, selbst wenn damit bei der nächsten Wahl die Strecke noch nicht eröffnet werden kann.“
Dazu Berthold Maier, Sprecher des Arbeitskreises Attraktiver Nahverkehr (AAN) im Münchner Forum e.V.: „Ein Problem ist auch die fehlende Abstellkapazität für neue Trambahnfahrzeuge und Busse. Für ein besseres Angebot werden mehr Trambahnen und Busse benötigt, diese benötigen neue Abstellmöglichkeiten. Hier muss die Politik die MVG stärker unterstützen. Ebenso zögerlich geht es beim Ausbau der Trambahn-Infrastruktur in der Innenstadt voran, der für den künftig höheren ÖPNV-Anteil erforderlich ist: Verwaltungsintern wird seit rund zwei Jahren darüber diskutiert, ob künftig am Bahnhofsplatz drei oder vier Trambahngleise liegen sollen (vgl. Vorlage für den Planungsausschuss vom 29.3.2023, https://risi.muenchen.de/risi/sitzungsvorlage/detail/7568500 Seite 16). In der Münchner Stadtpolitik ist viel von Verkehrswende und Klimaschutz die Rede, aber einen der größten Verkehrsknotenpunkte Europas ausreichend leistungsfähig per Tram zu erschließen, hat keine erkennbare Priorität.“
Für kurzfristige Verbesserungen beim Bus ist die Einrichtung weiterer Busspuren wesentlich. Hier ist in den letzten Jahren zwar manches umgesetzt worden, aber es bleibt erheblicher Handlungsbedarf und Gelegenheiten verstreichen ungenutzt.
Andreas Barth von PRO BAHN: „Leider werden neue Busspuren teils selbst dann nicht ernsthaft erwogen, wenn sie vom Bezirksausschuss gefordert werden.“
Negativbeispiel sind die Planungen zum Gewerbegebiet am Frankfurter Ring. Dort hat der Bezirksausschuss 11 Milbertshofen-Am Hart die Einrichtung einer Busspur gefordert. Der Stadtrat konnte sich aber nicht dazu durchringen, der Verwaltung einen klaren Planungsauftrag dafür zu erteilen. „Vorrang für den ÖPNV“ und „Flächenumverteilung“ muss dann umgesetzt werden, wenn es konkret wird, und darf nicht nur eine allgemeine Aussage bleiben.“
Ein wesentlicher Punkt für die Attraktivität des ÖPNV ist das Fahrplanangebot.
Hier hat sich in den letzten drei Jahren am wenigsten getan.
AAN-Sprecher Berthold Maier: „Erfreulich ist, dass es dieses Jahr überhaupt eine relevante Ausweitung geben wird, den 5-Minuten-Takt montags bis freitags tagsüber auf der U5. Für die angestrebte Verkehrswende ist das aber viel zu wenig. Andererseits sind immer noch einige Corona-bedingte Kürzungen – wie z.B. die Streichung des 10-Minuten-Takts bis 22 Uhr beim MetroBus – nicht rückgängig gemacht. Wie der Presse zu entnehmen ist, will Grün-Rot erst die Steuerschätzung der nächsten Jahre abwarten – es fehlt also am Geld für den Betrieb. Beim Beschluss, die U-Bahn nach Pasing (988 Millionen Euro) ohne fest zugesicherte Bundeszuschüsse zu bauen, spielte Geld offenbar keine Rolle.
Jahrzehntelang war Konsens in München: U-Bahnen werden nur gebaut, wenn klar war, dass der Bund den größten Teil der Baukosten übernimmt. Mitten in der durch die Corona-Pandemie verursachten größten Haushaltskrise der Landeshauptstadt München seit 70 Jahren ist der Stadtrat davon abgewichen, und hat beschlossen, das Risiko einzugehen, allein aus städtischen Mitteln den Bau zu finanzieren. Es bleibt abzuwarten, ob Grün-Rot in den nächsten Jahren genügend Geld für eine deutliche Verbesserung des ÖPNV-Angebots zur Verfügung stellt oder ob Ende 2025 lediglich die Rücknahme der Corona-bedingten Kürzungen als „Verkehrswende“ und „Ausbau des ÖPNV“ ausgewiesen wird.“
Gemeinsames Resümee von PRO BAHN und dem AAN ist: noch bestehen Chancen, die Defizite bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags zu beheben. Dazu muss aber das Tempo und die Konsequenz in der Umsetzung in der zweiten Hälfte der Wahlperiode deutlich zunehmen. Ansonsten besteht die große Gefahr, dass zwar viel angekündigt wurde, wir aber am Ende der Wahlperiode kaum weitergekommen sind.
Diese Presserklärung gibt nur die Meinung des AAN wieder und muss sich nicht mit der Meinung anderer Arbeitskreise des Münchner Forums e.V. oder der Meinung des Münchner Forums e.V. decken.
Bildquellen:
- ÖPNV Schilder auf dem Marienplatz: Tobias Seiler, unsplash