Über den lösbaren Konflikt zwischen den Interessen eines Golfclubs und den Ansprüchen der Allgemeinheit

| Hans-Joachim Schemel |

Es braucht nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, welcher Aufschrei durch die Münchner Bevölkerung gehen würde, wenn im Englischen Garten der gesamte Bereich vom Monopteros bis zum Schwabinger Bach (Eisbach) oder Kleinhesseloher See abgesperrt würde, um hier einen Golfplatz einzurichten. Etwas Vergleichbares ist im bevölkerungsreichen Stadtteil Thalkirchen im Isartal geschehen – in einer Zeit, als die Aufmerksamkeit der Menschen noch nicht so sehr wie heute auf die Notwendigkeit innerstädtischer Erholung gerichtet war. Im Jahr 1950 verpachtete der Münchner Stadtrat 14 Hektar stadteigener Fläche – genau: hundertvierundvierzig tausend Quadratmeter schönste Landschaft – an einen Golfclub. Und hat den Pachtvertrag seitdem mehrmals verlängert.

Zur Vorgeschichte

Im Jahr 1907 war zum Bau und Betrieb des Isarwerks I und des Werkkanals ein wasserrechtlicher Bescheid ergangen. Dieser Bescheid verfügte, dass die Stadt München zum Ausgleich des Eingriffs in die wertvolle Erholungslandschaft die Auflage Nr. 48a zu erfüllen habe. Die Auflage schreibt vor, die Stadt habe „im Hinblick auf die Erhaltung der landschaftlichen Schönheiten des Isartals und zum Zwecke der Nutzbarmachung der Anlagen für die Besucher des Isartals […] die schon im Stadtbesitz befindlichen Flächen […] als Park anzulegen und der öffentlichen Nutzung zu übergeben.“

Bei den „schon im Stadtbesitz befindlichen Flächen“ handelt es sich um die Grundstücke, die im Jahr 1950 an den Golfclub verpachtet worden sind. Der Golfplatz mit Clubhaus wurde 1951 errichtet. Weitere sechs Hektar Fläche wurden von einem privaten Grundstückseigner hinzugepachtet. Der Pachtvertrag mit der Stadt München ist seitdem durch die Beschlüsse des Stadtrats in den Jahren 1976, 1982 und 1992 verlängert worden, zuletzt bis zum 31.12.2024.

So wurde der größte Teil des Hinterbrühler Parks, der gemäß der zitierten Auflage Nr. 48a von Stadtgartendirektor Jakob Heiler geplant und 1910 realisiert worden war, der Allgemeinheit entzogen – zugunsten der Mitglieder und Gäste des Münchner Golfclubs (MGC). Das Münchner Forum hat nach gründlicher Recherche Oberbürgermeister Reiter in zwei Briefen auf den brisanten Fall aufmerksam gemacht und ihn zum Handeln aufgefordert – bisher ohne Antwort.

Große Grünflächen – für die meisten Münchner nicht nutzbar.

Große Grünflächen – für die meisten Münchner nicht nutzbar.

Die Stadtpolitik ist herausgefordert

Heute fragt man sich, wie so etwas geschehen konnte. Der Stadtrat hat mit der Verpachtung der städtischen Grundstücke gegen die Auflage verstoßen, einen öffentlich nutzbaren Park anzulegen. Hier soll nicht auf den Verstoß gegen eine behördliche Anweisung eingegangen werden – das können Gerichte ahnden. An dieser Stelle wird nur die Vernachlässigung des öffentlichen Interesses zugunsten Weniger thematisiert und die Rolle der Politik in diesem Zusammenhang angesprochen.

War der Stadtrat bei den Verlängerungen der Pachtverträge unaufmerksam? Fehlten ihm Unterlagen? Wusste er nicht, wie bedeutsam diese Flächen für die Erholung der städtischen Bevölkerung sind? Hat sich eine Gruppe besonders einflussreicher Bürger mit Hilfe von Hintergrundgesprächen gegen die Interessen von hunderttausend Bürgern durchsetzen können?

Mir ist das Verhalten der politischen Vertreter der Münchner Bevölkerung ein Rätsel. Wie dem auch sei: Der Stadtrat wird spätestens im Jahr 2024 erneut vor der Frage stehen, ob der Vertrag mit dem Golfclub verlängert werden soll oder nicht.

Warnschild am Golfplatz

Wer will sich als ungebetener Gast der Gefahr fliegender Golfbälle aussetzen?

Der Schatz im Isartal

Er sollte dabei bedenken, dass die wachsende Münchner Stadtbevölkerung dringend innerstädtische Erholungs- und Bewegungsräume braucht. 1907 hatte München ca. 500.000 Einwohner, heute sind es ca. 1.500.000. Seit Jahrzehnten sind die Bewohner Münchens ständig einer baulichen Verdichtung ausgesetzt. Das Angebot an Grünflächen pro Person ist geschrumpft. Immer mehr Menschen suchen in einer naturnahen Umgebung Ruhe und Entspannung oder die Möglichkeit zu Sport und Bewegung.

Die Münchner Bevölkerung wird nicht verstehen, wenn man ihr ohne plausible Gründe weiterhin zwanzig Hektar einer wunderbaren Landschaft vorenthalten würde, die von so vielen Menschen so gut zu Fuß, per Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Das Isartal ist ein Himmelsgeschenk, dessen schönste Teile im Stadtgebiet nicht durch politische Fehlentscheidungen verloren gehen dürfen.

Die durch den Golfclub der Allgemeinheit entzogene Erholungslandschaft ist vergleichbar einer Schatzkiste, deren Inhalt Piraten in die Hände gefallen ist. Dieser Vergleich hinkt insofern, als im vorliegenden Fall die Golfspieler keineswegs illegal gehandelt haben, wenn sie allein den landschaftlichen Schatz genießen durften. Sie handelten im Einverständnis mit dem Eigentümer des Schatzes, der kein Interesse zeigte, diesen Schatz denen zur Verfügung zu stellen, für die er gedacht war.

So wie jeder Münchner Bürger den Englischen Garten als Schatz betrachtet, den die Menschen mit großer Freude genießen, so sind auch die landschaftlichen Filetstücke des Thalkirchner Isartals ein Schatz, der bisher allerdings nur im Verborgenen strahlt. Die beiden Kartenausschnitte und die Fotos machen anschaulich, dass der Vergleich dieser beiden Schätze plausibel ist. Würde man nahezu 20 ha zwischen Schwabinger Bach (Eisbach) und Monopteros einzäunen und einem privaten Verein zur Verfügung stellen, wäre die zentrale Fläche des Englischen Gartens für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. In Thalkirchen blockiert der Golfplatz – bis auf wenige öffentliche Wege – die gesamte Talfläche des linken Isar-Ufers zwischen Hinterbrühler See und Maria-Einsiedel-Bad.

Es bleibt zu hoffen, dass der Thalkirchner Schatz bei der spätestens im Jahr 2024 anstehenden Entscheidung des Stadtrats über Verlängerung oder Beendigung des Pachtvertrags zugunsten der Münchner Bevölkerung gehoben und für alle Menschen nutzbar gemacht wird.

Autor:
Dr. Hans-Joachim Schemel hat nach dem Studium der Landschaftsökologie und Stadtplanung an der TU München zunächst acht Jahre im Alpeninstitut gearbeitet und von 1983 bis 2010 als Inhaber des Münchner „Büro für Umweltforschung und Entwicklungsplanung“ (www.umweltbuero-schemel.de) Gutachten und wissenschaftliche Studien für Ministerien, Kommunen, Stiftungen und Bürgerinitiativen erstellt.

Dieser Text stammt aus dem Online-Magazin STANDPUNKTE 10./11./12.2021 zum Themenschwerpunkt “Die Isar in München: urbaner Natur- und Erholungsraum”.

GELBER KASTEN

Zum Weiterlesen:

Schemel, H.-J./ Erbguth, W.: Handbuch Sport und Umwelt, Hrsg. Bundesumweltministerium, Deutscher Sportbund, Deutscher Naturschutzring. Meyer & Meyer Verlag, 3. Auflage 2000 (Golfsport S. 381-410)

Schemel,H.-J.: Regionalplanung und Golfsport. In: Raumforschung und Raumordnung H. 1, 2000

Steinberg, E.: Golfplätze in der Region München – Situation und regionalplanerische Beurteilung. In: Landschaft und Stadt, H.1, 1989

Schulz, H./ Hardt, G.: Boden- und Grundwasserbelastung durch Dünge- und Pflanzenschutzmittel auf Golfplätzen im Vergleich zur Landwirtschaft. Gutachten im Auftrag des DGV. Wiesbaden 1995

Hinweis: Dass die Münchner Golfer bei Verlust ihres Thalkirchner Platzes nicht darauf verzichten müssen, in schönster Landschaft ihrem Sport unweit ihrer Wohnung nachzugehen, zeigt diese „kleine Auswahl“ des Angebots in Oberbayern: https://www.bayregio.de/golf/

Dass Golfclubs nicht immer davor zurückschrecken, an der Bevölkerung vorbei Absprachen mit Behörden zu treffen, zeigt das Beispiel des Golf-Clubs Feldafing: https://www.golfclub-feldafing.de/wp-content/uploads/2016/09/TOP-3-01-Schreiben-an-die-BayerischeVerwaltungSchlösserGärtenundSeen-vom-14.11.2017.pdf  

Bildquellen:

  • Große Grünflächen – für die meisten Münchner nicht nutzbar: Hans-Joachim Schemel
  • Golfplatz Thalkirchen: Hans-Joachim Schemel
  • Warnschild am Golfplatz: Hans-Joachim Schemel
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