| Georg Kronawitter |

Warum dieser Beitrag?

Dieser Beitrag wird wohl mehr offene Fragen als Lösungen liefern. Sie sind hiermit vorgewarnt… Aber er entstand aus dem vielleicht diffusen Eindruck des Verfassers, dass die Befürworter einer Bodenrechtsreform zu euphorisch die preissenkenden Wirkungen erwarten und bestimmte positive Aspekte einer marktwirtschaftlichen Ausrichtung systematisch negieren. Natürlich spielt auch bei mir die unverzichtbare Beachtung der Sozialwirkung guter Wohnverhältnisse eine wichtige Rolle. Mit diesem Beitrag will ich verschiedenen Facetten aufzeigen – natürlich nicht abschließend.

Bezahlbares Wohnen

Mit kaum einer Forderung lässt sich in der Kommunalpolitik eine breitere Zustimmung erzielen als mit der nach dem Bau bezahlbarer Wohnungen. „Bezahlbare Wohnungen“ ist zum nahezu unhinterfragten Topos geworden. Aber das Thema ist in Metropolen auch wirklich virulent. Die spektakulären Wahlerfolge der KPÖ bei den letzten Kommunalwahlen in Graz und in Salzburg sind ausschließlich dem Thema Wohnen zuzuschreiben.
Viele Stellungnahmen zum Bodenrecht stellen traditionell die Verbindung zum Preisniveau für Wohnraum her. So auch der „Urvater“ der Bodenrechtsdiskussion, Hans-Jochen Vogel. Er hat nicht nur als Münchner Oberbürgermeister schon Anfang der 1970er Jahre das Thema auf die politische Agenda gehoben, sondern hat es auch nach seiner aktiven Politik-Phase beharrlich verfolgt und quasi als Vermächtnis hinterlassen. Sein Gastbeitrag vom 10. November 2017 für die Süddeutsche Zeitung trägt den Titel „Die verdrängte Herausforderung der steigenden Baulandpreise“. Die Lektüre ist ein „Muss“ für alle, die sich einen Überblick über das Thema während der letzten 50 Jahre verschaffen wollen.

Die Vogel-Thesen
Ausgangspunkt bei Hans-Jochen Vogel ist das überproportionale Wachstum der Baulandpreise seit Bestehen der Bundesrepublik. Er schreibt über die Entwicklung in München: „Von 1950 bis 1975 stiegen hier die Preise um 2866 Prozent Das heißt, ein Quadratmeter baureifes Land kostete in München 1950 durchschnittlich rund sechs D-Mark, 1976 hingegen bereits rund 170 D-Mark. Der allgemeine Verbraucherpreisindex stieg indes bundesweit von 1962 bis 1975 nur um 65,2 Prozent“.

Die „Unvermehrbarkeit“ – ein Alleinstellungsmerkmal der Ressource Boden?
Geradezu mantraartig wird die Unvermehrbarkeit der Ressource Boden bei Vogel und anderen beschworen: „Denn Grund und Boden ist keine beliebige, je nach Bedarf produzierbare oder auch verzichtbare Ware, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. Er ist unvermehrbar und unverzichtbar. Jeder braucht ihn in jedem Augenblick seines Lebens wie das Wasser oder die Luft“. Meist folgt auf diese Aussage die Folgerung, dass der Markt, also das freie Spiel von Angebot und Nachfrage, als Regulierungsmechanismus hier nicht geeignet sei.
Nun kann man durchaus Belege dafür finden, dass ein weitgehend unregulierter Mietmarkt zu desas-trösen Wohnverhältnissen führen kann, wie es laut SPIEGEL derzeit in Irland und speziell in Dublin der Fall zu sein scheint. Der Hauptgrund dürfte sein, dass Irland lange Zeit erfolgreich internationale Konzerne angelockt hat – ohne dass zusätzlicher Wohnraum geschaffen wurde.
Das Thema fehlender oder aufgegebener Werkswohnungen ist aber auch in München nicht unbekannt, wie der frühere OB Ude stets kritisiert hat. Immerhin sind die SWM wieder in den Bau von Werkswohnungen eingestiegen.
Ein Zwischenfazit ist also, dass nur der Bau neuer Wohnungen die Preissituation entspannt, insbesondere, wo der Zuzugsdruck hoch ist. OB Reiter gibt gerne die Einschätzung eines leitenden Managers eines großen US-IT-Konzerns weiter: „Hohe Mieten in München? Sind für unsere Leute kein Thema, sie verdienen bei uns genug“.

Ist nicht alles begrenzt?
Aber zurück zur Unvermehrbarkeit, zur Begrenztheit der Ressource Boden. Genau genommen sind auf dem Blauen Planeten Erde alle Ressourcen begrenzt. Auf der anderen Seite gibt es in vielen Gegenden der Erde Boden in Hülle und Fülle – wird aber nicht nachgefragt. D. h. letztlich bestimmt die Standortqualität den Preis der Ressource Boden.

Standortkonkurrenz

Allerdings ist dabei auch zu bedenken, dass ein Bodenpreisgefälle Stadt – Land den ländlichen Raum tendenziell auch für Firmenstandorte attraktiver macht und damit dort die Abwanderung verhindert. Natürlich muss auch die Infrastruktur dazupassen. Das betrifft nicht nur die Verkehrsanbindung auf Straße und Schiene, sondern auch Bildungseinrichtungen. Bayern hat hier in den letzten 50 Jahren viel getan, dass nicht nur die Ballungszentren München und Nürnberg prosperieren: Los ging es mit der Gründung der Universitäten Regensburg 1962 und Passau 1978. Auch der Ausbau der Fachhochschulen machte bayernweit die „Provinz“ attraktiver. Eine weitere Maßnahme war die Verlagerung staatlicher Behörden aus München in den ländlichen Raum.
Was hat das mit Bodenrecht zu tun?
Durch Strukturschwäche waren in der Provinz anfänglich auch die Bodenpreise deutlich niedriger als im Umfeld der Metropolen. Durch die Aufwertung der „Provinz“ ist einerseits etwas Druck von den Metropolen genommen worden, andererseits ist sie werthaltiger geworden.

Das Abschöpfungsdilemma

Es gibt aus meiner Sicht ein magisches Dreieck zwischen den Planungswertgewinnen, der teilweisen Abschöpfung durch die Kommune (etwa im Rahmen der Sozialgerechten Bodennutzung SOBON) und den Verbraucherpreisen. Wer soll etwa für die teure U-Bahn-Anbindung eines neuen Stadtviertels aufkommen, z. B. bei der SEM Nordost? Die Grundeigentümer, die künftigen Nutzer (Käufer und Mieter) oder die Gesamtkommune?
Die SOBON sorgt in München seit gut zwei Jahrzehnten dafür, dass ein Teil der Planungsgewinne von der Kommune genutzt werden kann, um den unmittelbar notwendigen Ausbau der Infrastruktur zu sichern, also öffentliche Wege und Flächen, aber auch Schulen und Kindertagesstätten.
Aber letztlich müssen doch die Endnutzer diese Kosten mittragen, wenn sie nicht in den Genuss vergünstigter Wohnungen kommen.

Lehren aus der DDR

Erfahrungen mit massiven langjährigen bodenrechtlichen Eingriffen gibt es viele, z. B. in der DDR (1949–1990).

Landwirtschaft
Einerseits wurde schon ab 1945 der Großgrundbesitz enteignet und an Bauern verteilt. Allerdings setzte nach wenigen Jahren (1952) die Kollektivierung der Landwirtschaft ein (LPGs). Diese Betriebe waren im wiedervereinigten Deutschland nicht konkurrenzfähig. Allerdings wurden viele LPGs als Genossenschaften oder als GmbHs erfolgreich fortgeführt, ihr Anteil macht 55% aus. Der Rest sind Einzelunternehmer und Familienbetriebe /Wikipedia/.

Wohnen
Vielen dürften noch die Bilder präsent sein, die sich nach der Wiedervereinigung in den Städten der neuen Bundesländer boten: Verfall und Sanierungsstau bis hin zur Substanzschädigung, wohin man blickte. Kaum zu glauben, dass in Görlitz ganze Altstadtviertel abgerissen worden wären, wenn nicht die Wende gekommen wäre. Grund für diesen Verfall der Innenstädte war die politisch gewollte Niedrig-Miet-Politik, die aber den Eigentümern keine Mittel zur Sanierung ließ – abgesehen vom notorischen Baustoff- und Facharbeiter-Mangel. Eine eindrucksvolle Insider-Dokumentation findet sich auf der Internetseite alltag-ost.de /DDR/. Dort ist auch das Phänomen des „Schwarzwohnens“ beschrieben, auch eine Folge des Wohnraummangels.

Volksrepublik China

In der VR China gibt es kein Privateigentum an Grund und Boden, wohl aber seit 2007 ein Nutzungsrecht ähnlich der Erbpacht. Die Laufzeit kann bis zu 70 Jahre betragen /Handelsblatt/.
Schaut man sich die Immobilienpreise in den chinesischen Metropolen an, so ähneln diese durchaus jenen in anderen, „kapitalistischen“ Metropolen weltweit. Auch hier spielt der Wertzuwachs durch Nachfrageüberhänge eine entscheidende Rolle.

Fazit

Stark ansteigende Wohnkosten sind mehr als ein Ärgernis, sie lösen mancherorts auch schon politische Beben aus. Das Phänomen tritt vor allem in wirtschaftlich prosperierenden Städten und Regionen auf. Treiber ist hierbei ein Nachfrageüberhang bzw. ein Angebotsmangel. Dieser Mechanismus lässt sich nicht mit Eingriffen ins Bodenrecht beeinflussen, sondern hauptsächlich durch eine Vermehrung des Angebots. So wünschenswert hierbei eine aktive Rolle der Kommunen und ihrer Wohnungsgesellschaften auch ist, so unverzichtbar ist hier weiterhin das Engagement Privater. Eingriffe ins Bodenrecht dürfen dieses Engagement nicht behindern.
Auch die Tatsache, dass Deutschland in der EU mit einer Wohneigentumsquote von 47 % Schlusslicht ist, sollte auf allen politischen Ebenen Gegenmaßnahmen auslösen. Immerhin bedeutet privates Wohneigentum einen guten Schutz gegen Altersarmut.

Zum Weiterlesen:

/Vogel2017/ Vogel, Hans-Jochen: „Die verdrängte Herausforderung der steigenden Baulandpreise“, in: Süddeutsche Zeitung 10.11.2017

/Wikipedia/ https://de.wikipedia.org/wiki/Landwirtschaft_in_der_DDR

/DDR/ https://alltag-ost.de/place/kaputte-haeuser-und-eine-verheerende-mietpolitik-schwarzwohnen-in-der-ddr/

/Handelsblatt/ www.handelsblatt.com/politik/international/neues-eigentumsrecht-in-china-abschied-von-marx-und-mao/2779802.html

 

Autor:
Dr. Georg Kronawitter ist Elektroingenieur, war Stadtrat von 2008 bis 2014 und ist Mitglied im Münchner Forum.

 

Dieser Text stammt aus dem Online-Magazin STANDPUNKTE 04./05./06.2024 zum Themenschwerpunkt “Wohnen und Bodenpolitik”

 

Bildquellen:

  • Aus dem Bundesarchiv: Dresden 1990: Bundesarchiv, Matthias Hiekel
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