| Erich Wartusch |
Hatte die Landeshauptstadt vor zwei Jahrzehnten noch mehrere Badminton-Hallen für Hobbyspieler zur Verfügung, ist es heutzutage kaum noch möglich, eine geeignete Spielstätte zu finden.
Badminton gilt als schnellste Rückschlagsportart der Welt. Mit bis zu 250 km/h verlässt der Federball, der manchmal auch nur aus Plastik ist, den Schläger. Schnelle Reaktionen, Wendigkeit, eine gute Kondition sollten Spieler mitbringen. Nichts hat Badminton mit dem gemächlichen Hin und Her mit Supermarktschlägern im Garten zu tun, das zwar mit „Federball“ bezeichnet wird, von Laien aber bisweilen mit dem richtigen Sport „Badminton“ verwechselt wird. Eine Sportart, die in Deutschland immerhin 168.000 Menschen in Vereinen betreiben und eine sehr viel größere Zahl an Menschen ungebunden mit Freunden und Arbeitskollegen. Das Online-Lexikon Wikipedia nennt sogar 4,5 Millionen Freizeitsportler, die hierzulande ab and an Badminton spielen sollen. Ein Breitensport also, der in München in der Breite jedoch nicht mehr zu finden ist.
Hatte die Landeshauptstadt vor zwei Jahrzehnten noch mehrere Hallen für Hobbyspieler zur Verfügung, ist es heutzutage kaum noch möglich, eine geeignete Spielstätte zu finden.
Schon als Student jagte ich ein bis zwei Mal pro Woche mal vormittags, mal nachmittags oder abends dem Ball nach. Meine Lieblingshalle war in der Zielstattstraße in Obersendling, wo man immer wieder auch Fußballlegende Gerd Müller traf, der dort regelmäßig zum Tennisschläger griff. Die Badminton-, Tennis- und Squashplätze immer gut gefüllt, die Pizzeria in der Halle mit dem gut gelaunten Patrone Nico ließ die auf sportlichem Weg verlorenen Kalorien meistens nach dem Spiel schnell zurückkehren und versorgte auch zahlreiche Polizeidienststellen der Umgebung. „Die Entscheidung des Abrisses wird dem Gewinnstreben eines schon bedeutenden Grundbesitzers in Obersendling geopfert“, schrieb der Münchner Wochenanzeiger 2012 über das Aus für die Halle und den Neubau eines Baumarktes an dieser Stelle. Zuvor hatte ich schon zwei andere Spielmöglichkeiten verloren. Die Halle am Hirschgarten, ebenfalls von vielen Sportlern fleißig frequentiert, war nicht zu halten, als klar war, dass dort ein komplettes Areal neu bebaut werden würde. Eine andere Halle in Freimann blieb nach ihrem Aus noch eine ganze Weile als Mahnmal stehen. Warum ist es nicht möglich, in einer Millionenstadt eine angemessene Zahl an privaten Sporthallen zu betreiben, die zumindest nach äußerem Anschein ein gutes Geschäft versprechen? Ist der gefühlt siebzehnte Baumarkt wirklich so viel lukrativer für den Grundstücksbesitzer?
Wer heute im Stadtgebiet Badminton spielen möchte, hat kaum noch eine Auswahl: entweder eine viel zu kleine Halle in Fürstenried, schwer erreichbar, die Auslinie nur Zentimeter von der Wand entfernt, die Hallendecke so niedrig, dass jeder zweite Ballwechsel abgebrochen werden muss. Oder die Vereinshalle des TSV Neuhausen-Nymphenburg, ständig belegt, nur an bestimmten Tagen überhaupt zugänglich. Wer mobil ist und weite Wege nicht scheut, kann nach Neufahrn b. Freising oder Martinsried ausweichen. Doch auch dort gilt: Der Mangel lässt die Hallenpreise klettern. Eine Stunde Platz für knapp 60 Euro macht das simple Ballspiel zum Luxussport. Dabei brauchen wir Badmintonspieler weder ein millimetergenau gemähtes Grün noch eine aufwendige Kletterwand, sondern nur eine Markierung, ein Netz und im Idealfall eine warme Dusche.
„Gehen Sie dann doch in einen Sportverein“, schlug mir mal auf meine Nachfrage der damals für Sport zuständige Stadtrat Christian Müller (SPD) vor. Das Problem der immer weniger werdenden Hallen war ihm bekannt. Eine Lösung aber hatte er nicht dafür. Doch sein Vorschlag verkennt, dass ein Sportverein eben nicht gerade gut für Menschen geeignet ist, die im Schichtdienst arbeiten, die mit mehreren Freunden mal Einzel, mal Doppel, aber vor allem ungezwungen spielen wollen. Der Versuch, mit einer Betriebssportgruppe regelmäßig zum Spielen zu kommen, gestaltete sich schwierig.
Man ist an feste Zeiten gebunden, in den städtischen Schulhallen stehen oft nur vereinzelte Stunden pro Woche zur Verfügung – und die fallen regelmäßig aus, wenn Schulferien sind oder die Halle für die Abiprüfungen gebraucht wird oder die Duschen wegen Legionellenverdacht gesperrt werden müssen, etc. Manchmal gibt es in den Hallen keine richtigen Markierungen. Mal ist es eine ungerade Anzahl von Spielern, so dass immer einer aussetzen muss, die Spielstärken variieren erheblich. Klar, man kann sich auf vieles einstellen, aber der ganz große Spaß am Sport entsteht dabei nur selten.
Und vermutlich geht es nicht nur Badmintonspielern so, sondern auch Freizeitsportlern in anderen Sportarten. Der Wettbewerb findet immer seltener auf dem Court statt. Es ist ein Verdrängungswettbewerb, in dem Sporthallen zu häufig den Kürzeren ziehen. Der Linienrichter ruft: „Aus!“
Der Autor:
Erich Wartusch, geboren und aufgewachsen im niederbayerischen Mallersdorf-Pfaffenberg, kam zum Studium der Nordischen Philologie nach München, arbeitet seit 2001 in den Bereichen Sport und Bayern für den Hörfunk im Bayerischen Rundfunk.
Dieser Text stammt aus dem Online-Magazin STANDPUNKTE 10./11./12.2024 zum Themenschwerpunkt “München und der Sport”
Bildquellen:
- Portraitfoto Erich Wartusch: Jessica Sturmberg