| Sonja Sachsinger | Boden ist ein wertvolles, knappes Allgemeingut: Er speichert CO², erhält die Biodiversität, dient als Hochwasserschutz und vor allem der Ernährung einer steigenden Bevölkerung. Es dauert 100 bis 300 Jahre, bis ein Zentimeter Boden entsteht. In einer halben Stunde ist mit Riesenbaggern und Planierraupen alles weggeschoben oder versiegelt, das Bodenleben vollkommen zerstört.
Klimawandel, Artensterben, immer häufigere und heftigere Überschwemmungen, zunehmende Hitze in den Städten: Es gibt genug Gründe, um endlich verantwortungsvoller mit Fläche umzugehen.
Bauen auf der grünen Wiese darf es grundsätzlich nicht mehr geben. Und Bauen am Stadtrand auch nicht, denn dabei wird nicht nur durch die neuen Gebäude viel Boden versiegelt, sondern auch durch die notwendige neu zu schaffende Infrastruktur (Verkehrswege, Schulen, Kitas).
Städte müssen intelligenter und smarter gebaut werden: dichter, dort, wo die Infrastruktur bereits vorhanden und belastbar ist, und smarter durch flexible Grundrisse, um Wohnungsaustausch zu erleichtern, z. B. wenn die Kinder ausgezogen sind und die Wohnung zu groß ist. Umbau ehemaliger Büroräume, Kaufhäuser oder nicht mehr genutzter Verwaltungsgebäude in Wohnungen statt Neubau schont nicht nur das Klima, sondern auch die Fläche. Ebenso wie Dachausbau oder Bauen auf industriellen Flachbauten (z. B. im Euro-Industriepark).
Ein absoluter Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können und dürfen, ist es, Wohnraum leer stehen zu lassen: In Deutschland stehen 1,9 Millionen Wohnungen leer |1|, vor allem in Kleinstädten. Sie wurden verlassen, weil die Grundversorgung (Bäcker, Kramer, Post) eingestellt wurde, weil es zu wenig Arbeits- und Ausbildungsplätze gab oder weil schlichtweg kein Handy- oder Internet-Empfang gewährleistet war. Es ist dringend erforderlich, den ländlichen Raum diesbezüglich wieder aufzuwerten und Arbeitsplätze dort zu schaffen, wo Wohnraum bereits vorhanden ist – anstatt in den überfüllten Metropolen die letzten Grünflächen zu versiegeln.
In den neuen Bundesländern leiden die Städte unter Abwanderung, während in Bayern die Großstädte aus allen Nähten platzen. Hier ist eine bessere Strukturpolitik gefragt.
Stadt heißt immer Dichte. Hinsichtlich des zunehmenden Flächenverbrauchs in Deutschland ist diese Dichte auch sinnvoll – bis zu einem gewissen Grad. Man darf nie vergessen, dass in einer Stadt Menschen leben, Menschen, die eine gesunde Luft zum Atmen brauchen, Ruhe zum Schlafen, Grünflächen zur Erholung. Menschen, die geschützt werden müssen, vor zu großer Hitze in den Sommermonaten und vor immer stärkeren Überflutungen. Dichte Bebauung und Grünflächen müssen ausgewogen sein.
In München, der Stadt mit der größten Bevölkerungsdichte und der größten Flächenversiegelung aller deutschen Großstädte ist diese Ausgewogenheit nicht mehr vorhanden. München ist überfüllt: zu dicht, zu heiß, zu verstopft. Es gibt nur noch ganz wenige Stellen, an denen gebaut werden kann, und viele Flächen, die es zu entsiegeln gilt, sowie viele Bäume und Büsche, die gepflanzt werden müssen.
Ein Beispiel aus Feldmoching, wie man es besser hätte machen können:
Westlich der Bahnlinie, ganz nah an der U/S-Bahn-Haltestelle Feldmoching, südlich der Buswendeschleife, bestens angebunden an den ÖV, siedeln sich seit Jahrzehnten Kfz-Werkstätten, ausgedehnte Autofriedhöfe und alle möglichen Arten der Zwischennutzung an, in heruntergekommenen Gebäuden um den hässlichen, maroden Turm einer ehemaligen Weinhandlung auf bereits versiegeltem Boden |2|. Das wäre ein phantastisches Gebiet, um Wohnungen für Geringverdiener zu bauen.
Aber die Stadt München hat sich dafür entschieden, das Gebiet auf der gegenüberliegenden Seite der Bahn einem Investor zu überlassen. Die Bebauung („Langes Land“), dichter als in Manhattan, zerstört eine bedeutende Frischluftschneise, die heute noch kühle Luft in die Innenstadt befördert.
Wertvoller landwirtschaftlicher Boden wird versiegelt, an die 300 große alte Bäume und viele Jungbäume werden gefällt.
Die Autorin:
Sonja Sachsinger, BI „Rettet den Münchner Norden“ e.V.
|1| laut Zensus (Stichtag 15.5.22) bzw. laut Bundesbauministerin Geywitz: 1,7 Millionen – vor allem in Sachsen-Anhalt (Leerstandsquote: 8,9%) und Sachsen (Leerstandsquote 8,5%). In Bayern sind es knapp 300.000, in München 22.000.
|2| Lerchenauer Straße 66, Bereich der ehemaligen Weinhandlung Binderer, im Geviert von Lerchen-, Luitfried-, und Pongratzstraße sowie der Bahntrasse.
Bildquellen:
- Leiter in einer Baugrube: Friedrich Grössing