Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot in München, Schaffung von Baurechten, Erkennbarkeit der Stadtstruktur im Wachstum und Gewinnung der Straße als Öffentlicher Raum. Unterstützung der Stadtbelüftung.
Die Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) eröffnet den Spielraum für stadtentwicklungspolitische Zielsetzungen auch in Gebieten, in denen der § 34 BauGB Art und Maß der baulichen Entwicklung bestimmt. So ist es möglich, auch an der Eigenart Münchens weiterzuarbeiten. Wesentliche Identitätsträger Münchens sind die Stadterweiterungen, zuletzt die von Theodor Fischer mit seiner „Staffelbauordnung“. Ein Erkennungszeichen ist die straßenbegleitende Bebauung, die Dichte an die Straße bringt, deren Dichte aber in der Tiefe abnimmt. Das ergibt die unverkennbare Münchner Stadtstruktur. Es ist wohl der Schutz dieser Münchner Bauweise, die zum Motto „Damit München München bleibt“ inspirierte.
Schaffung von Baurechten in den §-34-Gebieten im Hauptstraßen- und Haupterschließungsnetz Münchens
Die Hauptabteilung (HA) 2 des Planungsreferates arbeitet an der Schaffung von Baurechten auf der „grünen Wiese“ mit Hochdruck. Der kleinere Teil der Bauanträge kommt aus Gebieten, die Baurecht nach Paragraph 34 BauGB besitzen. Dieses Baurecht schaukelt sich nur langsam mit viel Streit durch Bezugsfälle und durch Gewährung von Befreiungen ungeordnet auf. Der strukturelle Nachteil ist die Gefährdung der sog. Gartenstadtgebiete und die Beeinträchtigung der Stadtbelüftung bei nur geringem Beitrag zur Wohnraumbeschaffung.
An diesen Straßenzügen sind die Grundstücke in der Regel in Einzeleigentum mit geringer Bebauung. Für eine angemessene Bebauung fehlt das Baurecht. An Kapital mangelt es nicht und mit der Beleihung der Grundstücke fehlen auch nicht die Voraussetzungen für Kredite. Die Stadt verfügt aber nicht über Strukturvorgaben, um mit Baurechten gezielt Verdichtung in diesen Gebieten zu fördern. Solche wären von großem Nutzen. Die Unterzeichner denken darüber seit längerem nach. Das Stadtratshearing „Gestaltung des Wachstums“ am 5. Juli 2017 bestärkt uns in dieser Überlegung. So hat Frau Stadtbaurätin Prof. Merk von Achsenbildung gesprochen (S. 8 des Hearing-Protokolls), Herr Overmeyer nennt das Beispiel der High Streets (S. 20), Herr Mattar nennt das Beispiel Wasserburger Landstraße (S. 36), der Oberbürgermeister spricht ausdrücklich am Beispiel Wasserburger Landstraße die Notwendigkeit an, über Höhe und Dichte als „klassische High Street Münchens“ (S. 65) zu reflektieren. Unsere Vorschläge sind insofern auch eine Konkretisierung der Vorschläge aus dem Hearing.
Argumente
- Hauptstraßennetz und Haupterschließungsnetz eignen sich für eine kommune Bebauung mit mindestens E+4; an besonderen Punkten auch darüber hinaus. Hier liegen Infrastruktur für Kanal, Strom, Gas, Wasser, Fernwärme und Verkehrserschließung des Individual- (IV) und Öffentlichen Verkehrs (ÖV).
- Durch eine Randbebauung wird das dahinter liegende Gebiet geschützt.
- Der zusätzliche Flächenverbrauch für Wohnnutzung wird minimiert.
- Die für Wohnnutzung im Erdgeschoss (EG) nur sehr begrenzt nutzbaren Flächen sollten die notwendige Infrastruktur aufnehmen. Kindertagesstätten, Kindergärten, aber auch Altenservicestationen und dergleichen können hier Platz finden. Dies könnte als „Kleine SoBoN“ bezeichnet werden (Baurecht für die Nutzungsüberlassung des EG). Für die Vermietung der Flächen im EG ist das jüngste Beispiel aus Wien zielführend.
- Mit dieser Randbebauung lassen sich wohnortnahe Versorgung – Gewerbe und Gaststätten – in die Stadtviertel bringen. Auch das Verbleiben im Wohnviertel im Alter wird dadurch erleichtert. Bisher scheitert eine lebhafte, für die Bevölkerung nützliche Verwertung des EG an der überzogenen Gewinnerwartung der Eigentümer.
- Die sukzessive Verdichtung mildert die Bedarfsspitzen der Infrastrukturnachfrage.
- Im mittleren Preissegment Wohnungen zu schaffen, wird damit ermöglicht.
- Eigentümer bekämen die Möglichkeit, individuelle und originelle Gebäude mit hoher Qualität zu platzieren.
- Das Verramschen von Flächen innerhalb der Stadt an internationale Kapital-Sammelstellen kann verringert werden.
- Durch die Schaffung publikumswirksamer Nutzungen wird die Möglichkeit zu einem öffentlichen Begegnungsraum eröffnet, in dem sich Stadtleben entwickeln kann (Öffentlicher Raum).
- Emissionen durch Verkehr werden gegenwärtig durch Obergrenzen für schädliche Stickoxide oder sogar durch Umstieg auf Elektromobilität weiter drastisch reduziert. Schall-Emissionen durch Laufgeräusche der Räder sind sehr energieaufwändig. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass sie reduziert werden. Damit wird der Aufenthalt im Öffentlichen Raum verträglich. Die Gunst der Stunde, die sich durch den Umbau der Mobilität ergibt, sollte unbedingt genutzt werden.
- Lärmemissionen können am Gebäude und durch geeignete Grundrisse beherrscht werden.
- Die dahinter liegenden „Gartenstädte“ werden durch die Bebauung vor Lärm geschützt.
- Ein Grund für die hohen Neubaukosten liegt in den hohen Grundstückspreisen. Neubauten entlang der Hauptverkehrs- und -erschließungsstraßen könnten also preisgünstigere Mieten ergeben bei gleicher Wirtschaftlichkeit, da die Grunderwerbskosten von ca. 60 Prozent für einen Neubau entfallen.
- Die Stadtentwicklung muss sich am pragmatisch-künstlerischen, auf den Öffentlichen Raum bezogenen Ansatz Theodor Fischers zur Stadtentwicklung (Staffelbauordnung) messen lassen.
Umsetzung
In München fehlt noch immer das in Arbeit befindliche Belüftungskonzept. Dies ist dringend erforderlich, um die Verdichtung verträglich zu steuern. Straßenzüge mit höherer Bebauung können die Belüftung unterstützen. In anderen Bereichen sollte eine Verdichtung durch striktes Versagen von Befreiungen so weit wie möglich, vielleicht sogar aus „städtebaulichen Gründen“ versagt werden. Der Charakter der „Gartenstädte“ kann damit in Belüftungsschneisen wirksam geschützt werden.
Für die vorgeschlagenen Straßenzüge sollte eine Entwicklungssatzung erarbeitet werden, nach der Bau-Genehmigungen ausgereicht werden mit den obigen Bedingungen. Werden diese Ziele vom Bauwerber nicht erfüllt, wird die Genehmigung nicht erteilt bzw. auf einen späteren Bebauungsplan (B-Plan) zurückgestellt. Rechtlich ist zu prüfen, wie die negativen Auswirkungen des § 34 BauGB bei „strategischer Verdichtung“ gebändigt werden kann, so dass eine Bebauung in die Tiefe verhindert wird. Hier scheint das Instrument der „städtebaulichen Gründe“ aus der Novellierung des BauGB hilfreich zu sein. Unser Vorschlag ist ohne planerische Vorleistungen der Stadt nicht umzusetzen. Erste Schritte sind, das planerische Ziel der Verdichtung an den Achsen zu diskutieren, Beschlüsse zu fassen und öffentlich zu machen.
Die Novelle „Zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden…“ von 2015 erleichtert das Vorhaben. Einerseits waren zur Begründung für eine Überschreitung der Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung (§ 34 BauGB) noch „besondere“ städtebauliche Gründe erforderlich. Durch die Novellierung sind dafür nun nur noch „städtebauliche Gründe“ erforderlich – die Schwelle wurde deutlich heruntergesetzt. Andererseits wurde auch die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in § 17 Abs. 2 diesem Ziel angepasst. „Festzuhalten ist, dass seit der Änderung des BauGB/ BauNVO städtebaulich begründete Dichtewerte freier festgesetzt werden können – sofern gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden,“ so Professor Ingrid Krau.
Einige Grundstückseigentümer werden vielleicht schon in dieser Phase auf die Stadt zukommen. Mit ihnen könnte über Lösungsmöglichkeiten verhandelt werden. Manches wäre wohl schon im Wege der Befreiung zu erreichen. Mit den Grundstückseigentümern könnten im Gegenzug Zugeständnisse im Sinne obiger städtebaulicher Ziele verbindlich vereinbart werden.
Im Weiteren wird eine grundstücksscharfe Bestandsaufnahme der Eigentums- und evtl. Pachtverhältnisse nötig werden. Man könnte dann aktiv auf die Eigentümer zugehen und die Realisierbarkeit des Konzepts ohne weitere stadtplanerische Eingriffe ausloten. Was schließlich im Verhandlungswege nicht erreicht werden kann, sollte – soweit einschlägig – mit Hilfe der gesetzlich normierten planerischen Instrumente – Bebauungsplan mit SoBoN (sozialgerechte Bodennutzung), Sanierungsrecht, soziale Stadt, Stadtentwicklungsmaßnahme, Stadtumbaumaßnahme – angegangen werden.
Arbeitskreis ‚Stadt: Gestalt und Lebensraum‘
Leitung: Wolfgang Czisch
München, den 29. Januar 2018