19.05.2015: Es ist wunderbar, dass München Orchester besitzt, die nicht nur zuhause, sondern auch in der Welt besondere Beachtung finden. Die Möglichkeit, allen Weltorchestern gerecht zu werden, verdient besondere Aufmerksamkeit. München hat auch gute Erfahrung mit der Platzierung von Tonhallen und Theatern gemacht, dienen diese ja auch dazu, Orte zu prägen und eventuell sogar erst zu entwickeln. Dabei ist an das Gärtnerplatztheater, aber auch an das Prinzregententheater zu denken, die als Landmarke und Entwicklungsanker für einen qualifizierten Städtebau dienten.
Standort
Bei der Standortwahl ist natürlich in erster Linie an die Besucher zu denken. Wie kommen sie bequem dorthin. Finden sie danach noch Orte, um das Erlebte besprechen zu können, Lokale, um sich auszutauschen?
München hat den Vorzug, eine Stadt zu sein, die im Zentrum einer Agglomeration von über drei Millionen Menschen liegt. Nur durch diesen Umstand und das große Bürger-Interesse ist das außerordentliche Kultur-Angebot zu erklären. Dass die Musikliebhaber nicht mit dem eigenen Fahrzeug in die bedrängte Innenstadt fahren (sollen), liegt im Interesse aller. Um für möglichst viele Besucher das zu ermöglichen, muss der Standort fußläufig zur S-Bahn-Stammstrecke liegen. So kann lästiges Umsteigen vermieden werden.
Dieser Kreis von im S- Bahn-Bereich lebenden Interessenten wird noch erweitert um die Bürgerinnen und Bürger in der Metropolregion München-Augsburg-Ingolstadt. Also ist eine Luxus-Erschließung durch den ÖPNV von besonderer Bedeutung.
Städtebau
Eine kulturelle Infrastruktur ist für jeden Standort, der sich in Entwicklung befindet, von außerordentlichem Wert. Hier entsteht ein Zeichen (Branding), das der Umgebung einen Assoziationshintergrund schafft, der dem Standort vielfältiges Interesse sichert. In München wurde das im 19. Jahrhundert mit dem Gärtnerplatz-Theater erfolgreich verwirklicht. Im 20. Jahrhundert mit dem Prinzregenten-Theater am gleichnamigen Platz. Auch hier hatte sich dieses Theater im Bewusstsein so verankert, dass es mit Sponsorengeldern wieder erstehen konnte. Im Vorfeld beider Theater sind Platzgestaltungen entstanden, die zu den attraktivsten Stadträumen in München gezählt werden. Mit einem Konzerthaus lässt sich also Stadtentwicklung betreiben, gerade in der Musikstadt München.
Infrastruktur
Ein Musikhaus mit 2.200 Sitzplätzen erfordert auch bei guter ÖV-Erschließung mehr als 10 Prozent Stellplätze in einer Tiefgarage (TG). Das Gasteig wurde sogar gezwungen, außerhalb der realisierten TG-Plätze zusätzliche gegenüber anzumieten. 300 Stellplätze sind also für die Besucher im Minimum vorzuhalten, wenn die ÖV-Erschließung optimal ist.
Neben dieser Erschließung ist die Andienung des Hauses mit Schwerlastverkehr ein Muss. Wer das Gasteig beobachtet hat, der weiß, dass zum Transport der Instrumente und des Equipments Schwerlaster unter das Haus gefahren werden müssen mit 40 t Gesamtgewicht und 4,50 Metern Höhe, wenn der Verkehr auf den Straßen nicht unterbrochen werden soll. Das erfordert einen Standort, der eine Rückseite besitzt, die mit diesen Zufahrten belastet werden kann. An der Oper kann man die Auswirkungen der Tiefgarage auf den öffentlichen Raum beobachten. Der wunderbare Max-Joseph-Platz vor der Oper ist nicht mehr als öffentlicher Raum zu nutzen.
Wendet man diese Feststellungen auf München an, ergibt sich ein relativ klares Bild.
- Der Standort muss in der Nähe der Stammstrecke des ÖPNV liegen, um die Region und die umliegenden Städte optimal anzubinden.
- Der Standort sollte in einem Entwicklungsgebiet liegen, das von einem Konzerthaus positive Impulse erhält.
- Der Standort sollte städtebaulich von einem Konzertsaal neu geprägt werden können. Eine bestehende Denkmal-Landschaft wäre mit größten Konflikten gestalterisch, denkmalpflegerisch und öffentlich verbunden.
Gibt es solche Standorte in München noch?
- An der Stammstrecke der S-Bahn von Pasing bis zum Hauptbahnhof sind solche Standorte zu finden; z.B. an der Hackerbrücke nördlich der Bahn. Hier steht eine Umstrukturierung an von Brauereien zu anderen Nutzungen an. In der Nähe des Bayerischen Rundfunks und in der Nähe zum Haupt- und Busbahnhof. Dieses Gebiet schreit geradezu nach einer Aufwertung, hat es selbst doch Außerordentliches zu bieten, das neu wiedererweckt und interpretiert werden kann und sollte.
- Am Ostbahnhof, genauer an der Friedenstraße, ist das Gebiet gerade im Umbruch. Der Standort liegt attraktiv über München, er würde städtebaulich aufgewertet und könnte den Verkehr verkraften. Allerdings ist die Fläche in Privatbesitz. Aber es wäre aller Anstrengung wert, zusammen mit dem durch seine Wohltätigkeit bekannten Eigentümer hier einen Kulturhotspot zu errichten und weiterzuentwickeln.
- Am Pasinger Knie. Dieser Standort könnte die Brutalität des neuen Stadtzentrums balancieren. Städtebaulich könnte hier etwas Neues entwickelt werden, was dem angedachten Boulevard vom Einkaufzentrum in Richtung Osten an der Bahn neue Realisierungschancen gäbe. Zukünftig auch eine Haltestelle der U 4/5.
In diesem Lichte betrachtet scheidet der Standort Finanzgarten aus. Hier ist die Stadt bereits idealtypisch klassizistisch. Das Gartendenkmal Finanzgarten muss vom Parkplatz nördlich des Landwirtschaftsministeriums befreit und um diese Fläche erweitert und fertig gestellt werden. Mit geringem Aufwand lässt sich hier das Ensemble noch einleuchtender herausarbeiten. Ein neuer Architekturtypus kann den Standort nicht entwickeln, ihm aber schlimmen Schaden zufügen. Gerade das Museumsquartier in der Maxvorstand, das über die Von-der-Tann-Straße mit dem Haus der Kunst, der Nationalgalerie in der Prinzregentenstraße und der Villa Stuck verbunden ist, muss in seinem Zusammenhang verdeutlicht werden. Eine Zufahrt für Schwerlastverkehr zu einem Konzerthaus mit 4,50 m hohen Ein- und Ausfahrten in der Von-der-Tann-Straße würde diese Verbindung endgültig zerreißen. Die Galeriestraße als Parkplatz-Zufahrt für eine Tiefgarage unter dem Konzerthaus würde den unhaltbaren Zustand der Galeriestraße zementieren, statt diese endlich als Vorfeld für den Hofgarten freizumachen.
Wolfgang Czisch