Über die Vorhaben der Münchner Verkehrsgesellschaft im Umfeld des – neuen – Hauptbahnhofs sprachen wir mit Gunnar Heipp, dem Leiter des Bereichs Strategische Planungsprojekte bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG).

Münchner Forum: Welche Pläne hat die MVG im Zuge des geplanten Neubaus des Münchner Hauptbahnhofs?
Gunnar Heipp: Wir denken beim Planungsumgriff immer bis zur Paul-Heyse-Unterführung auf der einen Seite und bis zum Stachus auf der anderen Seite. An der Oberfläche ist der Hauptbahnhof ein Verkehrsknotenpunkt mit sieben Straßenbahnlinien und zwei Buslinien. Wir planen im Bereich des Hauptbahnhofs zwei konkrete bauliche Maßnahmen und wir wollen hier die Chance nutzen, im Zuge der Neugestaltung des Hauptbahnhofs diese beiden Vorhaben gleich mit zu bauen.

Welche Vorhaben sind das?
Das eine ist der dreigleisige Ausbau der Straßenbahn mit einem dritten Gleis Richtung Norden. Denn: der Hauptbahnhof ist der wichtigste Verkehrsknotenpunkt für die Straßenbahn in München mit Zehntausenden von Fahrgästen. Wir bekommen längere Fahrzeuge für die Linien in der Dachauer Straße (Linien 20, 21 und 22), dichtere Takte und mehr Fahrgäste, und wir haben heute Doppelhaltestellen, wo zwei Straßenbahnen hintereinander halten. Aus Fahrgastsicht sind diese nicht optimal. Dazu kommt, dass wir an den Kreuzungen rund um den Hauptbahnhof bereits an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gestoßen sind. Deshalb brauchen wir das dritte Gleis zur Erhöhung der Gesamtkapazität des Verkehrsmittels Straßenbahn. Diese Aufweitung entzerrt die Situation.
Das zweite wichtige Projekt liegt unter der Erde: Eine zukünftige zusätzliche Innenstadtverbindung der U-Bahn mit der U9, die hier am Hauptbahnhof eine extrem wichtige Entlastungs- und Verbindungswirkung vom Hauptbahnhof nach Norden und nach Süden hat.

Auf welcher Seite soll die zukünftige U9 den Hauptbahnhof unterqueren?
Das steht noch nicht fest. Wir sind im Moment dabei, die möglichen Lagen zu ermitteln und gehen davon aus, dass die U9 tendenziell schon näher Richtung Empfangsgebäude liegen wird. Und wir suchen natürlich eine Lage, die nicht nur baulich machbar ist, sondern die vor allem gute Umsteigebeziehungen zwischen allen Verkehrsmitteln mit sich bringt, auch zu den künftig beiden Stammstrecken der S-Bahn.

Die Umsteigewege würden aber länger werden, je weiter der Bahnhof der U9 nach Westen rückt.
Das ist richtig, die reinen Umsteigewege zu den Massenverkehrsmitteln wären länger, der Vorteil weiter im Westen wäre, dass die neue U9 mit ihrer Station Hauptbahnhof noch eine eigene neue Erschließung in die Quartiere hineinbringen würde. Wir schauen, was dort ein guter Mittelweg sein könnte, um einerseits ein gutes Umsteigen zu den S-Bahnhöfen und auch zur Oberfläche zu bekommen. Ob eine Lage weiter im Westen erfolgversprechend und sinnvoll ist, das wird davon abhängen, ob es einen zweiten westlichen Zugang zum gesamten Bahnhof der DB AG gibt. Diese Idee wurde ja politisch und fachlich immer wieder diskutiert.

Warum ist das Projekt U9 für München so wichtig?
Das Projekt „U9“ – oder genauer die U9-Spange, denn es geht ja um eine neue Strecke mit zahlreichen Möglichkeiten der Linienverknüpfung – kann die überlasteten Knotenpunkte wie etwa am Marienplatz oder Odeonsplatz und alle zentralen Strecken der U-Bahn entlasten. Dazu kann am Hauptbahnhof eine umsteigefreie Beziehung nach Norden (Richtung Münchner Freiheit) und nach Süden (Richtung Implerstraße) hergestellt werden. Was auch deshalb so wichtig ist, weil ja die geplante 2. S-Bahn-Stammstrecke relativ wenige Bahnhöfe hat und daher diese Umsteigebeziehungen besonders wichtig werden.

Wird es bei der Straßenbahn auch eine direkte Gleisverbindung von der Prielmayerstraße in die Arnulfstraße geben?
Ja, das ist weiterhin unser Plan. Wir wollen am Bahnhofplatz im Jahr 2020 für die Straßenbahn den dazu notwendigen größeren Umbau machen und hoffen, dass wir dann – je nachdem, in welchem Zustand sich die Baustelle neuer Hauptbahnhof/2. Stammstrecke dann befinden sollte – möglichst schon Teile des Platzes provisorisch herstellen können. Für die Fahrgäste und für die Fußgänger soll in einem Baustein dann schon alles ein bißchen großzügiger werden. Die Baustelle des neuen Bahnhofs soll ja bis 2025 gehen, in der Zeit wird es genug massive Einschränkungen geben. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man einen Teil des Bahnhofplatzes schon einmal aufräumt und schon früh Verbesserungen bringt, damit die Leute nicht noch zehn Jahre darauf warten müssen. Klar ist aber auch, dass wir dies nicht alleine entscheiden können, dazu brauchen wir Verwaltung, Politik und DB.

Bei der Visualisierung des Bahnhofplatzes von Auer Weber Architekten ist für die Straßenbahnfahrgäste gar kein Wetterschutz zu sehen?
Da wird es auch einen Wetterschutz geben. Ich würde auch ganz stark dafür plädieren, dass wir den eher etwas größer und passend zum künftigen neuen Vorplatz ausbauen und nicht in der kleinen Form, wie wir das heute mit diesen Einzelwartehallen haben. Wir arbeiten ja am längsten schon mit Auer Weber an diesem Gesamtumfeld Hauptbahnhof. Besonders durch die Modernisierung des Sperrengeschosses der U-Bahn dort. Ich gehe davon aus, dass da ein großzügiger Wetterschutz hingehört, der sich in das Gesamtbild einfügen muss.

Wie sieht es mit den Haltestellenpositionen der MVG-Buslinien am Hauptbahnhof aus?
Die endenden Busse der Linien 58 und 100 bleiben im Bereich der heutigen Haltestellen in der Arnulfstraße. In der Planung ist vorgesehen, dass der Bus 58 am Bahnhofplatz auch über die Fläche der Straßenbahn Richtung Bayerstraße fahren kann.

Und wo sollen die Taxistandplätze hin?
Wir werden uns gemeinsam mit dem Taxigewerbe engagieren, um am nördlichen und südlichen Vorplatz an der Arnulfstraße eine attraktive Situation für Taxen und Anlieferung zu erreichen. Auch, um den Druck rauszunehmen, den Bahnhofplatz doch weiterhin mit Autos zu belegen. Was auch für die Auflösung der Taxis am Bahnhofsvorplatz spricht: Vom Zug dorthin ist es der längste Weg, an den Standplätzen an der Arnulf- und Bayerstraße ist man viel schneller. Eine Beibehaltung würde ich an dieser einen Stelle aber für falsch halten, das würde alle Möglichkeiten zerstören, dem Fußgänger am Bahnhof eine autofreie Seite zu bieten und Durchlässigkeit in die Innenstadt zu erhöhen.

Seit einiger Zeit gibt es an der Münchner Freiheit die Mobilitätsstation: Ist so etwas auch am neuen Hauptbahnhof geplant?
Als Miterfinder der Mobilitätsstation habe ich bei der Eröffnung schon gesagt: Eigentlich brauchen wir hundert davon, und zwar an jedem U-Bahnhof. Auf jeden Fall ist eine Mobilitätsstation auch am Hauptbahnhof geplant. Carsharing wäre dort sehr wichtig, aber es wird hier auch schon eng an der Oberfläche. Wenn wir an die Oberfläche schauen, dann liegt die Priorität beim Fahrrad, MVG Rad und Bike+Ride. Wir sind jetzt schon mit dem Bezirksausschuss dabei (Bezirksausschuss 2 Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, Anm. d. Red.) und der Verwaltung zu schauen, wo wir im Bahnhofsumfeld diese Mobilitätsangebote richtig anordnen.

Wo sollten denn die Fahrradstellplätze am besten hinkommen?
Was am Hauptbahnhof bislang fehlt, ist ein aufgeräumtes Fahrradparken. Das Thema Fahrradparken beschäftigt alle Beteiligten seit vielen Jahren, in den U-Bahnbauwerken so etwas unterzubringen ist aber eine Akzeptanzfrage: Fährt der Radfahrer wirklich eine Rampe runter? Deswegen ist als Lösung sicher vorzusehen, in den Neubauten auf der Südseite und auf der Nordseite ebenerdig Fahrräder unterzubringen. Stadt und MVG haben von einigen Jahren Zählungen gemacht, woher die Radfahrer kommen. Die Bahn-Kunden kommen überwiegend von Norden und von Süden; das Fahrradparken an der Arnulf- und Bayerstraße ist also passend. Die Leute kommen nicht aus der Innenstadt und etwas weniger kommen von Westen.
Wir wollen, dass das MVG-Rad und das eigene Fahrrad rund um den neuen Hauptbahnhof so prominent unterbracht sind, dass das Verkehrsmittel Rad im Verbund mit dem Öffentlichen Verkehr hier auch intensiv genutzt wird. Das wird – wie immer – dann künftig noch eine anstrengende Debatte über die Verteilung der Flächen sein.

Zum Abschluss: Was bedeutet der Neubau des Hauptbahnhofs für die Stadtentwicklung?
Es ist eine super Chance, dass die Bahn nun wirklich viel Geld für die notwendige Erneuerung in die Hand nimmt. Ich erwarte von diesem Projekt eine positive Dynamik mit der Botschaft: München kann das heruntergekommene Umfeld am wichtigsten Tor zur Stadt so ja nicht belassen. Deswegen bin ich optimistisch: Wenn klar ist, dass ein neues gutes Gebäude gebaut wird, dann wird niemand sagen, dass aber im Umfeld alles so bleiben soll, wie es ist. Dann wird auch die Gestaltung des öffentlichen Raumes bei allen Akteuren auf der Agenda stehen.

Das Interview führte Michael Schneider

Dieser Text ist auch in der April-Ausgabe der Standpunkte erschienen.

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