Handlungswissen für Bürger und Investoren
Bei der Umnutzung der Alten Akademie durch den Investor Benko und seine Signa Gruppe geht es in der aktuellen Diskussion vor allem auch um die Erhaltung der Arkaden. Die Arkadenflächen der Alten Akademie umfassen insgesamt 560 qm; davon entfallen auf den Bereich an der Neuhauser Straße 455 qm und entlang der Kapellenstraße 105 qm.
Aus zwingenden städtebaulichen und stadtgestalterischen Aspekten sind diese Arkaden im bisherigen Umfang zu erhalten. Helmut Steyrer hat in seinem Beitrag „Alte Akademie – im neuen Gewand“ in den Standpunkten August/September 8./9.2016 hervorgehoben, dass bei Verwirklichung des 1. Preises des Wettbewerbs ein ganz massiver Eingriff in die Arkaden vorgenommen wird und erhebliche Arkadenflächen dem öffentlichen Raum entzogen und den Ladengeschäften zugeschlagen werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Investor, trotz eindeutiger Rechtslage, eine weitgehende Reduzierung der Arkadenflächen an Neuhauser und Kapellenstraße durchsetzen will. Dies soll – so die Intention des Investors – nicht durch rechtsverbindliche Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. 1975 erfolgen, sondern im sog. Einzelgenehmigungsverfahren auf der Grundlage von § 34 BauGB (Baugesetzbuch). Würde die Stadt München als Trägerin der Planungshoheit diesem Verlangen des Investors nachgeben, würde die angesichts der herausragenden Bedeutung der Alten Akademie unverzichtbare Bürgerbeteiligung vollständig entfallen.
Gewichtige ökonomische Begehrlichkeiten treiben den Investor an, eine Reduzierung der Arkaden zu Gunsten von Ladenflächen durchzusetzen. Sollte dies gelingen, würde ein Bezugsfall geschaffen, der das städtebauliche Gesamtkonzept für alle Arkaden in der Altstadt in Frage stellt. Die bisherigen Bemühungen der Stadt, die Arkaden in der Achse Neuhauser/ Kaufingerstraße zu erhalten, würden konterkariert. Dies ist exemplarisch belegt durch das Ringen um die Arkaden des Anwesens Kaufingerstraße 4. Die Stadt München hat diese Arkaden gegen die Erweiterungswünsche des dortigen Geschäftsinhabers jahrelang in aller juristischen Konsequenz verteidigt. Ausgangspunkt für die diesbezügliche Recherche des Verfassers war ein vergilbter Zeitungsausschnitt aus seinem Archiv: Ein Bericht im Lokalteil der SZ vom 03.05.2000 Nr. 101 über den Rechtsstreit eines Geschäftsinhabers gegen die Stadt München vor dem Landgericht München I. Diese Berichterstattung der SZ ermöglichte es, die üblicherweise anonymisierten Entscheidungen der Gerichte in dieser Sache zu entschlüsseln und exakt zu verorten. Ab 1999 kämpfte die Stadt München fünfzehn Jahre lang vor Zivil- und Verwaltungsgerichten, um die Erweiterung des Juweliergeschäfts Kaufingerstraße 4 zu Lasten einer ca. 40 qm großen Arkadenfläche zu verhindern, welche durch eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Stadt zivilrechtlich und öffentlich-rechtlich mit einer Baulinie gesichert war (vgl. Übersicht in Kasten 1). Letztlich musste die Stadt mit Abschluss der gerichtlichen Verfahren in den Jahren 2013/14 nur eine Reduzierung der Arkade um neun Quadratmeter hinnehmen. Durch das beharrliche Engagement der Stadt wurden im Fall „Arkaden Kaufingerstraße 4“ insgesamt 30 qm Arkadenfläche als öffentlicher Raum gerettet und für die bürgerschaftliche Nutzung erfolgreich verteidigt.
Mit einer Fläche von 560 qm haben die Arkaden der Alten Akademie allein schon von ihrer Größe eine andere Dimension.
Der Signa Gruppe wurde vom Freistaat Bayern die Nutzung des 6.055 qm großen Areals der Alten Akademie im Wege des Erbbaurechts auf die Dauer von 65 Jahren eingeräumt. Der vereinbarte Erbbauzins soll etwa 240 Millionen Euro betragen haben. Grundlage für die Erbbaurechtsvergabe im Bieterverfahren im Jahr 2013 war die Gesamtkonzeption des Aufstellungsbeschlusses für den Bebauungsplan Nr. 1975 aus dem Jahr 2005, welche ausdrücklich die Erhaltung der Arkaden vorsah (vgl. Kasten 2, Seite 27). Die Signa Gruppe gab das höchste Gebot ab und bekam den Zuschlag.
Ein Investor, der aufgrund eines Höchstgebots den Zuschlag erhält, kann sich nicht nachträglich darauf berufen, dass bei Einhaltung der maßgeblichen Eckdaten, welche Grundlage der Auslobung waren, das Projekt nicht rentierlich durchzuführen sei. Insoweit trägt der Investor das ökonomische Risiko. Eine andere Betrachtung führt zur Verzerrung gegenüber unterlegenen Mitbietern, die ihr Gebot realistisch unter Erhaltung der Arkaden kalkuliert haben. Dies gilt auch dann, wenn im Nachhinein maßgebliche Eckdaten zu Gunsten des Investors modifiziert werden.
Wird dem Investor durch Bebauungsplan oder Baugenehmigung nach § 34 BauGB eine erhebliche Reduzierung der Arkaden – entgegen der Ausschreibungsgrundlage und den Eckdaten sowie den bislang rechtsverbindlichen Vorgaben – zugebilligt, erwächst ihm ein beachtlicher Planungsgewinn. Der zusätzliche Ertragswert des Objekts steigt damit erheblich. Nach neuesten Bewertungen beträgt der Mietwert für Läden in dieser Triple-A-Situation der Fußgängerzone ca. 350 Euro/qm. Bei einer Arkadengesamtfläche von 560 qm und einer Reduzierung um nur 50 Prozent errechnet sich auf die Dauer von 65 Jahren ein zusätzlicher Mietertrag von rund 77 Millionen Euro. Selbst wenn ein solcher „Planungsgewinn“ durch die Stadt München ganz oder teilweise „abgeschöpft“ würde, hätte solches Nachgeben gegenüber dem Investor erhebliche städtebauliche Folgewirkungen über den Einzelfall hinaus. Es würde ein Bezugsfall geschaffen, der – wie oben ausgeführt – die bisher konsequente Linie der Stadt zur Erhaltung von Arkaden gänzlich aushebeln würde.
Vor den Zivil- und Verwaltungsgerichten hat sich die Stadt München bei der Verteidigung der „Arkaden Kaufingerstraße 4“ in insgesamt elf (!) Gerichtsverfahren im Wesentlichen mit folgenden Argumenten durchgesetzt:
– Arkaden sind trotz der Schaffung der Fußgängerzone weiterhin unverzichtbar,
– Erhaltung der Arkaden aus städtebaulichen Gründen zum Schutz gegen Witterungseifl üsse und als
Verweilorte im Bereich der Fußgängerzone,
– Arkaden sind von erheblicher Bedeutung für das städtebauliche Gesamtkonzept der Münchner Altstadt,
– Arkaden sind wesentlicher Bestandteil des „Maßnahmekonzepts Innenstadt“,
– Schutz der Arkaden durch das „Arkadenkonzept. Marienplatz und Fußgängerzone“.
Mit Entscheidung vom 28. November 2013 verpflichtete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Stadt München im Verfahren „Arkaden Kaufingerstraße 4“, eine Ladenerweiterung unter Reduzierung der Arkadenfläche um neun Quadratmeter zu genehmigen. Es handelte sich um eine atypische Situation, da die Arkade Kaufingerstraße 4 am Nachbaranwesen Kaufingerstraße 6 endet. Die gerichtlich zugebilligten neun Quadratmeter ermöglichten lediglich eine Abschrägung der Ecksituation, führten aber nicht zu einer Reduzierung der Durchgängigkeit. Eine komplette Überbauung der rund 40 qm großen Arkaden lehnte das Gericht mit der Begründung ab, dass dies in das Arkadenkonzept der Stadt München eingreifen würde und damit im Widerspruch zur städtebaulichen Gesamtkonzeption der Stadt stehe, bei der die Arkaden ein wichtiges städtebauliches Prinzip darstellen. Im Zusammenhang mit dem Maßnahmenkonzept zur Aufwertung der Münchner Innenstadt solle dieses städtebauliche Prinzip erhalten und weiterentwickelt werden.
Das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Nov. 2013 Nr. 2 B 13.1587 ist in den Bayerischen Verwaltungsblättern 2014, S. 700 abgedruckt und kann im Netz unter openJur 2014, 3477 aufgerufen und ausgedruckt werden.
Ob und inwieweit Stadtverwaltung und Stadtrat den Begehrlichkeiten der Signa Gruppe, die Arkaden der Alten Akademie ganz oder teilweise zu schließen, nachgeben werden, ist derzeit nicht absehbar. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn die Stadt München gegenüber der Signa Gruppe eine wie auch immer geartete Reduzierung der Arkaden der Akademie zulassen würde. Auch gegenüber dem Investor ist jener strenge Maßstab anzulegen, den die Stadt fünfzehn Jahre lang gegenüber einem Bürger in der „Causa Arkaden Kaufingerstraße 4“ angelegt hat. Die „Causa Arkaden Kaufingerstraße 4“ gibt die Verteidigungsstrategie vor und liefert nicht nur juristische Argumente, sondern zugleich die politisch-administrativen Vorgaben, um den Begehrlichkeiten des Investors nicht nur zu widerstehen, sondern diesen mit Nachdruck entgegenzutreten.
In diesem Zusammenhang müssen die in der „Causa Arkaden Kaufingerstraße 4“ von der Stadt erstrittenen Urteile den Entscheidern der tangierten städtischen Referate (Direktorium, Planungsreferat, Baureferat, Kommunalreferat), aber auch den Mitgliedern des Stadtrats in den beteiligten Gremien zur Kenntnis gebracht werden.
Besondere Bedeutung kommt seit Ende 2015 den neu geschaffenen „Leitlinien zum Planen und Bauen im Altstadtensemble München“ zu (vgl. Kasten 3). Diese „Leitlinien“ sind wesentliche Grundlage für den Umgang mit der Alten Akademie, insbesondere in Bezug auf deren Arkaden. Sie ergänzen die bisherige Strategie der Stadt zur Verteidigung der Arkaden um einen wichtigen juristischen Baustein.
Klaus Bäumler
Klaus Bäumler ist Leiter des Arbeitskreises Öffentliches Grün, 2. Vorsitzender des Programmausschusses des Münchner Forums und Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof retd.