Wer redet eigentlich in der Stadt über die Stadt? Welche Aspekte der Stadtentwicklung werden thematisiert, und wer trägt sie in die Öffentlichkeit? Im Masterstudiengang „Urbanistik – Landschaft und Stadt“ an der Technischen Universität München haben sich im vergangenen Semester sechs Studierende mit der Münchner Akteurslandschaft auseinandergesetzt. Unter Leitung von Dr. Agnes Förster untersuchten sie die in München diskutierten Themen, Projekte und Orte der letzten drei Jahre sowie Verbindungen und Verknüpfungen zwischen den lokalenpolitisch-administrativen, privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Ziel war es, Netzwerk-Strukturen sichtbar zu machen sowie Schnittstellen und Lücken im Münchner Akteursnetz aufzuzeigen.

München wächst. Die Folge: Die Herausforderungen an die Stadtentwicklung wachsen wie die Stadt selbst. Finanzielle und personelle Mittel sind knapp, die anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben und die Investitionsbedarfe enorm. Münchens Stadtentwicklung ist als Aktivität der öffentlichen Hand zunehmend auf die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren angewiesen. Institutionen, Vereinen und Arbeitsgemeinschaften kommt eine wichtige moderierende Rolle zu, indem sie direkt mit Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren, Einfluss auf die stadtgesellschaftliche Meinung ausüben und Inputs aus unterschiedlichen Perspektiven liefern. Die Beteiligung privatwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure an der Stadtentwicklung kann insofern als Ressource der Stadtentwicklung verstanden werden. Die Aktivitäten finden dabei überwiegend nicht solitär statt, vielmehr versucht man, in der Kooperation gemeinsam Impulse zu setzen. So haben sich schrittweise kooperative Strukturen zwischen den einzelnen, unterschiedlich organisierten Akteuren herausgebildet. In der gemeinsamen Arbeit der Akteure entstehen neue Ideen, und gemeinsam werden Impulse gesetzt. Man kann von vernetzten Strukturen zwischen den Akteuren ausgehen, welche einen Informationsfluss, kurze Wege sowie direkte Kommunikation zwischen ihnen ermöglichen. Absprachen werden nicht öffentlich getroffen, sondern finden meist intern und bilateral statt. Es fehlt eine systematische Übersicht über die jeweiligen Aktivitäten und Interaktionen untereinander.

Hier setzt das Forschungsprojekt des Masterstudiengangs „Urbanistik – Landschaft und Stadt“ (WS 2014/15) der TU München an. Die Studierenden untersuchten anhand von öffentlichen Kommunikationsereignissen zum Thema Stadtentwicklung die Strukturen der Münchner Akteurslandschaft. Das Erkenntnisinteresse der Arbeit liegt darin zu erkunden, über welche Projekte, Räume und Themen in der Münchner Akteurslandschaft tatsächlich gesprochen wird, inwiefern die Akteure miteinander verbunden sind und welche Rolle die politisch-administrative Planung bei der diskutierten Stadtentwicklung spielt. Drei zentrale Fragen sollten im Rahmen der Untersuchung beantwortet werden: 1. Wie sieht das (hoheitliche, privatwirtschaftliche und zivilgesellschaftliche) Engagement in Bezug auf die Münchner Stadtentwicklung aus? 2. Welche (potenziellen) akteursbezogenen, räumlichen und thematischen Schnittstellen gibt es zwischen den Akteuren? 3. Inwieweit ist das zivilgesellschaftliche und privatwirtschaftliche Engagement mit dem hoheitlichen Handeln der Stadt München verknüpft?

Die empirische Untersuchung basiert auf einer quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse der öffentlichen Diskussion über die Stadtentwicklung Münchens. Mittels einer mehrdimensionalen Internetrecherche werden für den Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2014 sogenannte Kommunikationsereignisse identifiziert, in welchen sich öffentlich mit der Entwicklung von Stadt und Region als Ganzes oder mit einzelnen Teilräumen, Projekten oder Belangen der Stadtentwicklung auseinander gesetzt wurde. Anhand der Untersuchung der ermittelten Kommunikationsereignisse wurden Aussagen über die beteiligten Akteure, die besprochenen Räume, Projekte und Themen ausgewertet sowie mögliche Zusammenhänge, Schnittstellen und Lücken erkannt. Im Folgenden werden die zentralen Untersuchungsergebnisse zusammengefasst.

Wie stellt sich das Engagement in Bezug auf die Münchner Stadtentwicklung dar?

Auf Basis einer Internetrecherche konnten 510 Kommunikationsereignisse in den letzten drei Jahren identifiziert werden. 209 unterschiedliche Akteure haben Aktivitäten durchgeführt und organisiert. Weitere 624 Akteure waren Teil von Ereignissen als Diskussionspartner, Moderatoren und Experten. Die öffentliche Diskussion wurde als Veranstaltungsformat am häufigsten durchgeführt (34 %), gefolgt von Exkursionen (20 %), Präsentationen (19 %) und Ausstellungsveranstaltungen (13 %). Workshops, in der Einschätzung der Bearbeiterinnen das interaktivste Format, finden sich unter den Veranstaltungen relativ selten – lediglich  zu fünf Prozent.

Drei Akteure führen laut Untersuchung mit großem Abstand die meisten Veranstaltungen durch: Die Landeshauptstadt München mit ihren städtischen Referaten (144 Ereignisse), die Münchner Volkshochschule (90 Ereignisse) und das Münchner Forum (69 Ereignisse). Die Rolle und Position der Münchner Volkshochschule lässt sich auf deren Jahresprogramm zurückführen, welches 2014/15 Belange der Stadtentwicklung in den Fokus rückte.

Welche akteursbezogenen, räumlichen und thematischen Schnittstellen konnten identifiziert werden?

Anhand einer Netzwerkanalyse wurden die Verbindungen zwischen den einzelnen Akteuren über gemeinsam organisierte Kommunikationsereignisse untersucht. Die 209 ermittelten Akteure können nach drei Ebenen unterschieden werden: Ebene 1 – die drei zentralen Hauptakteure (Landeshauptstadt München, Münchner Volkshochschule und Münchner Forum), welche die meisten Ereignisse durchführten, sind eng miteinander verbunden und haben jeweils weitere Kooperationspartner. Ebene 2: Akteure wie die Stiftung Federkiel oder die Technische Universität München, diese haben weniger Veranstaltungen organisiert, sind aber eng mit den Hauptakteuren verbunden. Schließlich die Ebene 3, sogenannte Satelliten-Akteure. Sie sind kaum bis gar nicht ans Hauptnetz angebunden, bilden eigene kleine Cluster und können nur eine geringe Anzahl von organisierten Kommunikationsereignissen vorweisen.

Die Auswertung der Ereignisse nach ihrem Raumbezug zeigt, dass die Münchner Akteure besonders häufig die Stadt als Ganzes in den Mittelpunkt der Diskussion rückten. In der teilräumlichen Auseinandersetzung liegt das Areal der ehemaligen Luitpoldkaserne – das zukünftige Kreativquartier – vorn, gefolgt vom Kunstareal und der ehemaligen Bayernkaserne. Das räumliche Bild des „Redens über Stadt“ zeigt, dass die Stadtgebiete am Rande der inneren Stadt – diese befinden sich heute besonders stark im Umbruch –, die innerstädtische und gesamtstädtische Isar sowie einzelne bedeutende Entwicklungen am Stadtrand besondere Aufmerksamkeit erfahren. Dagegen bilden das nordwestliche und das südliche Stadtgebiet deutliche Leerstellen in der öffentlichen Stadtentwicklungsdebatte.

In der Auswertung der 22 definierten Themen der Stadtentwicklung entfallen die meisten Ereignisse auf die Themen Stadtplanung (140-mal), Wohnen (129-mal) und Kultur (113-mal). Die Auswertung der thematischen Schnittstellen innerhalb der einzelnen Veranstaltungen zeigt, dass die Themen Freiräume, Geschichte und Stadtgestalt in der öffentlichen Diskussion in München verschiedene Einzelthemen besonders gut miteinander verknüpfen.

Inwieweit ist das zivilgesellschaftliche und privatwirtschaftliche Engagement mit dem hoheitlichen Handeln der Stadt München verknüpft?

An der Organisation der identifizierten Ereignisse waren zu 49 Prozent zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt, privatwirtschaftliche und hoheitliche Akteure zu jeweils 34 Prozent. Interessant ist, dass die  politisch-administrativen Akteure in ihren Beiträgen zur öffentlichen Diskussion nicht alleine auf hoheitliche Projekte fixiert sind. Gut zwei Drittel der von ihnen angestoßenen Kommunikationsereignisse beschäftigten sich mit Räumen ohne unmittelbaren Bezug zu hoheitlichen Projekten. Damit zeigten die städtischen Akteure ein deutliches Engagement in der Diskussion über die Stadt, das über ihr eigentliches Tagesgeschäft hinausgeht. Die Politik tritt vor allem als Mitgestalter der öffentlichen Veranstaltungen auf. Sie bringt sich durch Podiums- und Expertenbeiträge in die öffentliche Debatte ein.

Insgesamt zeigt sich, dass das Potenzial, welches die Kooperation von politisch-administrativen mit privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren bietet, in München an vielen Stellen bereits genutzt wird. Es wird deutlich, dass besonders die zivilgesellschaftlichen Akteure einen großen Teil ihres Engagements in die öffentliche Diskussion über die Stadt einbringen. Zugleich präsentiert sich ein deutliches Potenzial für eine verbesserte Vernetzung: In den Kooperationsstrukturen zeigen sich Lücken zwischen den zentralen, besonders aktiven Akteuren einerseits und einer Vielzahl von thematisch oder teilräumlich ausgerichtetem Engagement andererseits. Neue Schnittstellen zwischen den Akteuren lassen sich auch in einem besseren Verständnis gemeinsamer räumlicher Interessen entwickeln.

Theresa Ramisch

Die sechs Verfasserinnen der Untersuchung sind Studierende im Masterstudiengang Urbanistik – Landschaft und Stadt an der TU München, : Carina Engler; B.Sc. in der Geographie (RWTH Aachen), Stephanie Fabich; B.Sc. in der Architektur (Universität Innsbruck), Sarah Lechner; B.Sc. in der Geographie (LMU München), Theresa Ramisch; B.Sc. in der Stadt- und Raumplanung (FH Erfurt), Susanne Schöpf; B.Sc. in der Geographie (LMU München), Defne Toy; B.Sc. in der Architektur (Yeditepe Üniversitesi – Istanbul).

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